Shopping und Dining – zwei Aktivitäten, die immer schon gut zusammen passten. Doch seit ein bei Jahren verschwimmen die Grenzen zwischen den beiden Branchen: Der Handel forciert seine gastronomischen Angebote, Restaurants werden durch Delivery und Take-away-Angebote immer häufiger auch zu Versorgungsstationen für anderswo konsumierte Speisen. Was bedeutet diese Entwicklung für Standorte wie Shopping Center? Sorgt die Digitalisierung dafür, dass hier Handel und Gastronomie verschmelzen? Nein, sagt Experte Klaus Striebich, mehr als zwanzig Jahre lang beim Shopping Center-Betreiber ECE für die Flächenvermietung verantwortlich. Wir haben ihn zu Trends und Perspektiven für Foodservice im Retail-Umfeld befragt.

Herr Striebich, was erwarten Sie für die Zukunft der Gastronomie im Handelsumfeld?

KS: Gastronomie und Handel – das lässt sich heute schon nicht mehr trennscharf voneinander abgrenzen. Und in Zukunft sicher noch weniger. Es wird zu einer zunehmenden Hybridisierung der Konzepte kommen. Stichwort: Multi-Usage.

Der Handel erlebt ja gerade eine weitere Revolution, vergleichbar mit dem Aufkommen der ersten Kaufhäuser oder später der Einführung des SB-Prinzips, oder dem Trend auf die ‚Grüne Wiese‘. Wie schon früher gibt es natürlich auch Abgesänge auf den stationären Handel, aber ich glaube nicht, dass in Zukunft alles online passiert. Aus den großen Revolutionen der Branche ist immer auch etwas Neues, Aufregendes entstanden. Ich bin gespannt, was es diesmal sein wird. Diese Revolution schwappt buchstäblich auch in die Gastronomie herüber, die natürlich ebenfalls durch die Digitalisierung verändert wird.

Doch viel entscheidender als der Einfluss der digitalen Technik ist für mich die komplett veränderte Erwartungshaltung des Kunden bzw. Gastes, die Individualisierung seiner Ansprüche: Früher fragte der Gast, was der Gastronom ihm anbietet. Heute fragt der Gastronom, was er dem Kunden liefern darf.

Im April eröffnet im Frankfurter Innenstadt-Center MyZeil Foodtopia. Der Food Court versammelt neben internationalen Akteuren, teilweise neu im deutschen Markt, auch lokale Konzepte und soll hierzulande Maßstäbe setzen. Rendering: ECE

Verändert die Digitalisierung also nicht nur die operativen Abläufe und Geschäftsmodelle, sondern auch den Gast an sich?

KS: Ja, auf jeden Fall. Dank Smartphones & Co. sind wir es doch inzwischen gewohnt, dass wir alles jederzeit verfügbar haben. Informationen, Musik, Filme …. Anything, anytime, anywhere. Auch gastronomische Angebote. Und möglichst genau so, wie ich sie haben will. Einzigartig und nur für mich.

‚Food is the new fashion?’

KS: Nicht in der Hinsicht, dass in Shopping Centern demnächst nur noch Restaurants sein werden. Gastronomie ist wichtig, aber ihre Bedeutung für diese Standorte hat auch Grenzen. Dennoch entwickelt sie sich weiter: Früher gab es in einem Center ein paar Quickservice-Anbieter, eventuell ein Restaurant. Dann kamen die Food Courts mit einem bunten Fast-Food-Mix. Inzwischen ist das Angebot viel breiter, es gibt Casual Dining, sogar Fine Dining in Shopping Centern. In Deutschland ist der Anteil von Foodservice an der Gesamtfläche der Center mit 5-6 % immer noch sehr niedrig. In China gibt es Center mit 30-40 % Gastronomie-Anteil. Allerdings ist da auch weit und breit kein anderes Restaurant. In Europa werden wir – abhängig von den Gegebenheiten des Standorts – meiner Einschätzung nach maximal 10-15 % erreichen. Ausreißer vielleicht 20 %.

Benchmark für Europa: Die Westfield Shopping Center, hier im Londoner Stadtteil Shepherd’s Bush, gelten als Vorbild. Foto: Alamy Stock Photo.

Es kommen heute also andere gastronomische Konzepte als Mieter für Shopping Center in Frage als noch vor zehn Jahren?

KS: Um den Quadratmeteranteil der Gastronomie zu erhöhen, werden häufig größere Flächen ausgeschrieben. Das ist dann auch für Fullservice-Konzepte wie L’Osteria oder Hans im Glück interessant und bringt mehr Vielfalt ins Angebot. Natürlich braucht jedes Center auch in Zukunft die Klassiker: McDonald’s, Burger King, KFC. Das sind nach wie vor die verlässlichsten Umsatzbringer. Sie sollten rund 50-60 % des Angebots ausmachen. Aber um den Kunden neben der Grundversorgung zur Stillung seines Hungers auch das immer wichtigere soziale Erlebnis zu bieten, braucht es eben auch Konzepte, in denen man mit Familie und Freunden einen entspannt-lustigen Abend verbringen kann. Das dritte Bedürfnis ist der Genuss, deshalb finden sich auch immer mehr anspruchsvolle Restaurants in Shopping Centern.

Heute gilt: „Anything, anytime, anywhere – auch für gastronomische Dienstleistungen.“

Klaus Striebich

Consulter, Advisor, RaRE Advise

Warum sind die Center denn aus Gastronomen-Sicht so interessant?

KS: Weil sie einen Standortvorteil mit viel Laufkundschaft bieten. Sie machen es jedem Gast leicht, das Richtige zu finden. Auch wenn die Entscheidung für einen Anbieter vielleicht manchmal schwieriger ist: Immer mehr Menschen suchen genau die Vielfalt, die sie in diesen Agglomerationen vorfinden. Kein Gast isst nur noch bei McDonald’s. Vielmehr bestellt er heute vielleicht mal einen Big Mac, morgen dann eine Pizza bei L’Osteria und übermorgen etwas Veganes. Deshalb brauchen Center möglicherweise sogar drei verschiedene Burger-Marken: Five Guys für den üppigen Genuss, Hans im Glück für das soziale Erlebnis und McD und Burger King für die schnelle Versorgung. Die beiden letztgenannten wären übrigens früher nie in dasselbe Center gegangen. Heute ist das ganz normal.

Roboter machen die Gastronomie zu anonym. Rollercoaster-Restaurants dagegen bieten einen hohen Entertainment-Faktor. Foto: Rogo’s

Das klingt, als sei ein Standort in einem Center für einen Gastronomen eine sichere Bank ….

KS: Leider gibt es einen Bremsklotz für das Geschäft der Gastronomen – anders als beispielsweise in der Modebranche: Wer gegessen hat ist erst einmal satt. Es geht um den Share of Stomach, frei übersetzt: den Anteil der Magenfüllung. Deshalb stehen die verschiedenen Anbieter natürlich auch im Wettbewerb miteinander. Ich kann ja als Gast sowohl für 2 € als auch für 20 € satt werden. Die Aufgabe des Gastronomen ist es, zu erreichen, dass ich dieses Geld bei ihm ausgebe. Dazu kommt nicht nur das Bedürfnis satt zu werden: Es soll schmecken, auch noch gesund sein und am besten nachhaltig.

Wie sollte das ideale gastronomische Angebot in einem Shopping Center in Zukunft aussehen?

KS: Wichtig ist, die richtige Mischung zu finden aus großen, internationalen Marken, trendigen Newcomern und lokalen Individualisten. Gute Shopping Center sind auch immer als Standorte zum Markteintritt für coole Marken aus dem Ausland interessant, weil sie in der Regel Frequenz garantieren.

Und die Digitalisierung? Wird sie die Gastronomie in Shopping Centern maßgeblich verändern? Bringt mir der Roboter den – veganen – Burger irgendwann in die Umkleidekabine des Klamottenladens?

KS: Ich persönlich glaube daran eigentlich nicht, sondern bin überzeugt, dass die Menschen in der Gastronomie immer soziale Wärme suchen werden. Natürlich lässt der Personalmangel manchen schon an den Einsatz von Robotern denken. Aber in Deutschland ist ja bisher kein Konzept, das den Service durch Tablets ersetzt hat, wirklich weit gekommen. Sicher wird die Technik die internen Abläufe in der Gastronomie verändern und vieles leichter machen. Aber Gastronomie bleibt People Business und wird vielleicht sogar bald zum Zufluchtsort für alle, die von der Digitalisierung genug haben!

Klaus Striebich

Klaus Striebich (52) kam 1992 als Vermietungsmanager zum Shopping Center-Betreiber ECE Projektmanagement GmbH und stieg dort zum Managing Director Leasing auf. Seit 2018 ist er mit seinem Unternehmen RaRE Advise als unabhängiger Berater im Bereich Handel und Handelsimmobilien, Gastronomie und Services tätig. Darüber hinaus hält er Aufsichtsrats- und Beiratsmandate bei der Deutsche Euroshop AG, Hamburg, Unternehmensgruppe Dr.Eckert, Stuttgart, MEC-Metro-ECE-Centermanagement GmbH, Düsseldorf, TFCI – The Food Chain Investor Holding SE, Hamburg, Sinn GmbH, Hagen, sowie KlierHairGroup GmbH, Wolfsburg. www.rare-advise.com, www.retailandrealestate.com

Welche Trends sehen Sie am Horizont?

KS: Ich setze ganz stark darauf, dass vegetarische und vegane Konzepte immer stärker werden. Noch handelt es sich vielfach um Individualisten, aber früher oder später wird es auch eine größere vegane Kette in Deutschland geben. Health-Food-Spezialisten wie dean&david zeigen ja mit ihrem großen fleischfreien Sortiment, dass die Nachfrage vorhanden ist. Und der Entertainment-Faktor wird wichtiger denn je, nicht zuletzt, um die Aufenthaltsdauer zu verlängern. Warum nicht mal ein Rollercoaster-Restaurant in einem Center eröffnen? Auch ein Format aus Show und Dining wie Palazzo könnte ich mir vorstellen. Eine geniale Kombination, für die die Leute Geld ausgeben.

Welche Benchmark-Food-Courts sollten Gastronomen sich ansehen?

KS: Das neue Foodtopia im Frankfurter MyZeil wird für Deutschland sicher Maßstäbe setzen und das Format neu definieren. Auch die Westfield-Center in Großbritannien sind immer eine fachliche Reise wert. Dort sieht man auch Konzepte mit den Trendküchen von morgen, wie Comptoir Libanais oder Leon, die in Deutschland bestimmt auch sehr beliebt wären. Generell muss man sich immer ansehen, was am jeweiligen Center-Standort Sinn ergibt, auch in puncto Öffnungszeiten. Es muss ja erst gelernt werden, dass man ein Center auch abends ansteuern kann, um zu essen oder ins Kino zu gehen. Deswegen gibt es meiner Meinung nach keine Faustformel für erfolgreiche Center-Gastronomie, die sich einfach so reproduzieren lässt.  

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