Foto: Christian Kielmann

Christian Hamerle zählt hierzulande zu den Vordenkern, wenn es darum geht, wie digitale Technik gastronomische Erlebnisse und die Proftabilität von Restaurants verbessern kann. In Wien geboren, absolvierte er die Hotelfachschule und arbeitete anschließend unter anderem in der Sternegastronomie und als Betriebsleiter von Sarah Wiener. Neben seiner Aufgabe als Gastgeber in der Data Kitchen entwickelte er bis vor Kurzem für SAP digitale Konzepte für die Restaurants von morgen. Seit Juni ist er als Creative Consultant für das Grameen Creative Lab von Friedensnobelpreisträger Mohammad Yunus tätig. Mit seiner Firma Hello Mister Fischer treibt er außerdem Themen wie die Digitalisierung der Food Service-Branche mit entsprechenden Software- und Future Food Partner voran und entwickelt Ideen, die (nicht nur) der Food Service Branche zur 360° gedachten Enkeltauglichkeit verhelfen und gleichzeitig eine vernünftige ökonomische Basis beibringen. Wir haben für das Schweizer Gastro-Magazin Chef-Sache noch vor seinem Abschied von der Data Kitchen mit ihm über das Restaurant der Zukunft gesprochen.

Herr Hamerle, was haben Sie gedacht, als Sie erstmals vom Konzept der Data Kitchen hörten?

Christian Hamerle: Ich dachte, das wird nie funktionieren – Digitalisierung und Gastronomie gehen nicht zusammen. Aber ich habe meine Meinung um 180 Grad geändert. Das Konzept schenkt den Leuten Zeit!

Wie reagieren die Menschen auf die digitalen Prozesse in der Data Kitchen?

Hamerle: Die meisten Gäste nehmen uns als Restaurant wahr, in dem es um zwischenmenschliche Interaktion geht. Die Gastgeber in der Data Kitchen sind darauf trainiert, ihnen auf charmante Art die Angst vor der Technik zu nehmen. Und wenn man es erst einmal verstanden hat, sind die positive Überraschung und das Wohlwollen in der Regel groß. Es geht darum, die digitalen Prozesse von den Gästen aus zu denken: Was wollen und brauchen sie – und die Technologie von dort aus zu entwickeln.

Data Kitchen: Slow Food Fast

Als der Software-Konzern SAP Heinz „Cookie“ Gindullis fragte, ob er für die Hauptstadtrepräsentanz des Unternehmens ein Restaurantkonzept entwickeln könne, stand für den technikaffinen Berliner Gastronomen schnell fest: Digital muss es sein. Gleichzeitig war klar, dass ein automatisiertes Konzept nur bei gleichzeitig hohem kulinarischem Anspruch in Frage kommt. Stichwort: Slow Food Fast!

Data Kitchen

Im Herbst 2016 öffnete Gindullis, unterstützt von Spitzenkoch Alex Brosin, die Data Kitchen mitten im Berliner Touristen-Hot Spot Hackescher Markt und schuf einen Pilgerort für alle, die wissen wollen, wie digitale Technik die Gastronomie der Zukunft verändern wird – ebenso wie für diejenigen, die in der Mittagspause einen qualitativ hochwertigen Lunch zu günstigen Preisen entspannt genießen wollen.

Data Kitchen

Kommt die digitale Technik auch für das Delivery- und Take-away-Geschäft zum Einsatz?

Hamerle: Nein, ganz bewusst nicht. Wir möchten unseren Gästen entspannte Erlebnisse schenken, sie aus ihrem Workflow herausholen. Ein Genusstermin auf der Agenda eines langen Tages. Das nehmen die Leute dankbar an. Grab-and-go ist in der Branche zwar gerade ein Riesenthema. Wir bevorzugen aber Grab-and-stay.

Sie beschäftigen sich mit Future Food Tech: Wie wird die Ernährung der Zukunft Ihrer Meinung nach aussehen?

Hamerle: Die Food-Branche steht vor einer Digitalisierung der gesamten Wertschöpfungskette vom Acker bis zum Teller, von der Erde bis zur Körperzelle. Der ans Internet of Things angeschlossene Acker errechnet genau, wie hoch die Ernte in einem Jahr ausfallen wird, weil er Regenmengen, Bodenbeschaffenheit und Temperaturen misst. Dafür müssen die Maschinen allerdings noch ein paar Jahre dazulernen.

Essen wird in Zukunft viel stärker als bisher mit der individuellen Gesundheit verknüpft werden. Dann werden wir das, was wir essen, automatisch mit unseren körperlichen Bedürfnissen abgleichen. Wenn ich über das Smartphone bestelle, wird mein digitaler Ernährungscoach sofort darüber informiert, welche Nährstoffe ich aufnehme und greift möglicherweise mahnend ein, wenn ich schon wieder eine Currywurst esse. Das muss aber mit einem Augenzwinkern geschehen und nicht mit Verboten.

Data Kitchen

Fotos: Data Kitchen

Wird das Restaurant der Zukunft komplett durchdigitalisiert sein? 

Hamerle: Ja und nein. Ich glaube, dass wir in diesen zukünftigen Erlebnisräumen die Technik darin überhaupt nicht mehr wahrnehmen werden und das Zwischenmenschliche deutlich im Vordergrund steht. Gleichzeitig werden unsere Armbanduhren uns darauf hinweisen, welche Restaurants in der Nähe das Essen anbieten, das zu unserem aktuellen Ernährungsstatus passt. Bezahlt wird automatisch am Monatsende und wenn ich brav pflanzenbasiert esse, bekomme ich Bonuspunkte von meiner Krankenkasse. Dabei dürfen wir das Thema Datensicherheit natürlich nicht aus den Augen verlieren. Meine Prognose: Es wird immer eine analoge Fine-Dining-Gastronomie für besondere Anlässe geben. Aber im Alltag werden wir von unserem Health Coach ernährungsbewusst und bargeldlos durch die Arbeitswoche geleitet werden.   

Schwingen bald vielerorts Roboter den Kochlöffel?

Hamerle: Dort, wo in der Quickservice-Gastronomie Fachkräftemangel herrscht, möglicherweise. Wichtiger wird es aber, digitale Technik, wie beispielsweise Apps, verstärkt dafür zu nutzen, die Gäste über die Herkunft und Qualität der Zutaten zu informieren. Über eine Food Block Chain lässt sich eine einzigartige Transparenz herstellen. Vom Landwirt bis zum Gast. So schließt sich der Kreis vom Smart Ordering über die digitalisierte Warenwirtschaft bis hin zur IoT-basierten Rückverfolgbarkeit.

Data Kitchen

Lassen sich durch die Technik auch andere Probleme, wie beispielsweise No-Shows oder Food Waste besser kontrollieren?

Hamerle: Tatsächlich diszipliniert das Pre-Payment in der Data Kitchen die Leute. 99,9 Prozent erscheinen pünktlich zum vereinbarten Termin!  Und Abfall gibt es dort auch weniger als in anderen Restaurants, da die Vorabbestellung eine viel präzisere Planung ermöglicht.