Das deutsche AgriTech Unternehmen Klim schafft eine gemeinsame Bewegung mit Landwirten, Unternehmen und Verbrauchern, um die Regenerative Landwirtschaft schnellstmöglich zu verbreiten, CO2-Emissionen nachhaltig zu reduzieren und Bodengesundheit sowie Biodiversität zu verbessern. Damit leistet es einen wichtigen Beitrag zu Klimaschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Die digitale Plattform bietet Landwirtschaftsbetrieben Dokumentations- und Finanzierungsmöglichkeiten sowie den Zugang zu Wissen und einer Community. COO Felix Jakobsen erklärt im Interview, welches Potenzial in der Rückkehr zu regenerativen Methoden steckt, wenn es darum geht, die Nahrungsmittelproduktion resilienter und klimafreundlicher aufzustellen. 

Herr Jakobsen, Regenerative Landwirtschaft ist zurzeit in aller Munde. Ist sie die Lösung für die nachhaltige Lebensmittelproduktion der Zukunft?

Bei der Regenerativen Landwirtschaft geht es vornehmlich um die Gesundheit der Böden, die weltweit mehr Kohlenstoff speichern als die Atmosphäre und alle Pflanzen zusammen. Aber sie sind in einem immer schlechteren Zustand, was unser globales und regionales Lebensmittelsystem vor große Herausforderungen stellt: Wenn wir nichts verändern, könnte es sogar dazu führen, dass in wenigen Jahrzehnten unsere wichtigste Ernährungsgrundlage verloren geht. Deshalb müssen wir möglichst viele Landwirte, die ja als allererste unter dem Klimawandel leiden, überzeugen, an der Regeneration ihrer Böden zu arbeiten. 

Auch für die Biodiversität, das Grundwasser und weitere für unsere Zukunft existenzielle Fragen kann die Regenerative Landwirtschaft eine Lösung sein. Es gilt jetzt, möglichst schnell zu skalieren und alle mitzunehmen – Landwirte, Verbraucher und Verarbeiter. Denn es geht hier nicht nur um Klimaschutz, sondern um den Fortbestand der Menschheit.

Klim

Was ist mit der Ausweitung von Bio oder der Reduktion der Tierbestände, die ebenfalls als Maßnahmen für eine klimafreundlichere Landwirtschaft diskutiert werden?

Wenn wir wirklich alle Landwirte erreichen wollen, dann ist Bio mit seinen strengen Vorgaben nicht die Antwort, denn es ist nicht für jeden Betrieb geeignet – ganz davon abgesehen, dass Bio nicht gleich Klimaschutz ist. Auch der Tierbestand wird sich auf absehbare Zeit nicht so deutlich verringern, dass dies auf den Treibhausgas-Ausstoß einen wesentlichen Einfluss hätte. 

Verlagerungseffekte könnten dann sogar eher schaden: Wenn man die ganze deutsche Landwirtschaft auf Bio umstellt oder den Tierbestand massiv reduziert, müsste man aufgrund der Ertragseinbußen mehr Lebensmittel importieren – aus Ländern, in denen bei der Produktion möglicherweise noch mehr CO2 ausgestoßen wird als bei uns. Das Thema Landwirtschaft und Ernährung muss immer aus einer globalen Perspektive betrachtet werden. 

„Das Thema Landwirtschaft und Ernährung muss immer aus einer globalen Perspektive betrachtet werden.“

Felix Jakobsen

COO, Klim

Aber 100 Prozent Regenerative Landwirtschaft wäre in Deutschland möglich?

Das ist natürlich kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf. Die Akzeptanz der Landwirte ist der Schlüssel. Sie produzieren nicht nur unsere Lebensmittel, sondern sind auch Ökosystemdienstleister, die wichtige Mehrwerte für die Gesellschaft generieren. Wenn wir sie nicht überzeugen, können wir auch die Lieferkettentransformation für Lebensmittelunternehmen nicht gewährleisten. Deshalb beziehen wir als Klim alle betriebswirtschaftlichen Akteure entlang der Wertschöpfungskette mit ein, die für die erfolgreiche Umstellung von landwirtschaftlichen Lieferketten notwendig sind, und sorgen als Mediator für die Überwindung von Zielkonflikten.

Regenerative Landwirtschaft ist kein Korsett, das überall gleich funktioniert, sondern ein Werkzeugkasten. Die Landwirte müssen jeder für sich entscheiden, welche Maßnahmen sie in ihrem Betrieb individuell umsetzen. Dabei erhalten sie von Klim Unterstützung in Form von Management-Know-how, Reporting Tools und Vergütungen. Die Landwirte, mit denen wir arbeiten, sehen die positiven Veränderungen in ihren Böden bereits nach wenigen Jahren. Die hören nicht wieder damit auf. 

Klim

Welche Bedenken haben die Landwirte bezüglich der Umstellung?

Drei Aspekte sind entscheidend: Zum einen fehlt häufig das Wissen – die Regenerative Landwirtschaft wird bisher in der Ausbildung nicht gelehrt. Die zweite Sorge ist die Finanzierung: Wie kann ich sicherstellen, dass die Investitionen in den Boden finanziell abgefedert werden? Und drittens mangelt es zuweilen noch an Wertschätzung – sowohl innerhalb der Lieferkette als auch bei den Verbrauchern. Wenn wir Gespräche führen, bei denen Landwirte, Verarbeiter, Molkereien, die Industrie und teilweise auch der LEH am Tisch sitzen, spüren wir immer wieder, dass es für die Landwirte sehr attraktiv ist, wenn ihre Leistung in diesem Rahmen gewürdigt wird. 

Klim
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Stichwort Finanzierung: Welche Wege gibt es, das Engagement der Landwirte auch ökonomisch wertzuschätzen?

Klim bietet Unternehmen aus Lebensmittelproduktion und LEH die Möglichkeit, die Regenerative Landwirtschaft innerhalb oder außerhalb ihrer eigenen Lieferketten finanziell zu unterstützen. Unser Schwerpunkt liegt vorrangig auf Projekten zur Emissionsreduktion landwirtschaftlicher Rohstoffe. Die digitale Plattform ermöglicht dabei die präzise Berechnung und Verifizierung emissionsmindernder Maßnahmen, an die die Vergütung gekoppelt ist. Auch der Verkauf von Zertifikaten außerhalb von Lieferketten ist für uns ein valider Weg, die Investitionen in die Bodengesundheit zu refinanzieren. Wichtig ist, Projekte kontinuierlich zu überwachen und wissenschaftsbasiert festzustellen, wie viel Kohlenstoff tatsächlich im Boden gespeichert und durch den verringerten Einsatz von Düngemitteln weniger emittiert wird.

Welche Gründe gibt es – abgesehen vom guten Klimagewissen – für die Lebensmittelindustrie und Handel, die Regenerative Landwirtschaft zu unterstützen?

57 der 100 weltgrößten Lebensmittelunternehmen haben inzwischen ein explizites Ziel zur Regenerativen Landwirtschaft innerhalb ihrer Lieferketten formuliert – zusätzlich zu ihren eigenen Dekarbonisierungszielen. Das sind keine Leuchtturmprojekte für den Nachhaltigkeitsreport, sondern eine notwendige Strategie, um Risiken in den Lieferketten zu minimieren und damit die Existenz des Unternehmens für die Zukunft zu sichern.

Ein Beispiel: McCain hat vor einiger Zeit berichtet, dass bei seinen Lieferanten von sieben Ernten inzwischen zwei als Missernten ausfallen. Da ist die Regenerative Landwirtschaft eine Rettungsinsel, die zwar auch gut für das Klima ist, aber zuallererst durch erhöhte Resilienz der Böden die zukünftigen Erträge gewährleistet. 

„Wir gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich 5 bis 10 Mio. Tonnen zusätzlich im Boden gespeichertes CO2 möglich sind, wenn die regenerativen Prinzipien konsequent umgesetzt werden.“

Felix Jakobsen

COO, Klim

Hinzu kommt: Wer seinen CO2-Fußabdruck als Unternehmen nicht senkt, wird über kurz oder lang aus Bankensicht uninvestierbar sein, zumal auch die Dekarbonisierung von Kreditportfolios voranschreitet. Green Bonds, also Anleihen, die an die Reduktion von THG-Emissionen geknüpft sind, werden ebenfalls immer beliebter. 

Was ist die Rolle des LEH bei der Transformation der Landwirtschaft?  

Der LEH ist die Schnittstelle zum Verbraucher, ohne ihn geht es nicht. Wir arbeiten hier unter anderem mit Kaufland zusammen, die momentan die Umstellung der Zutaten für ihr Eigenmarkenmüsli auf regenerative Erzeugung vorantreiben und die Kosten für die notwendigen Maßnahmen kompensieren. 

Klim

Wie kann der Verbraucher denn erkennen, ob die Zutaten für ein Produkt aus Regenerativer Landwirtschaft kommen? 

Wir wollen die Aufmerksamkeit und das Bewusstsein der Verbraucher für die Thematik steigern. Deshalb haben wir schon früh ein Label entwickelt, mit dem Unternehmen aus der Lebensmittelbranche kommunizieren können, dass sie die Regenerative Landwirtschaft unterstützen – und zwar unabhängig davon, was tatsächlich in ihrer Lieferkette passiert. Denn nicht alle Unternehmen haben immer Einfluss darauf, wie dort gearbeitet wird. Allerdings schließen wir vertraglich aus, dass jemand mit unserem Label Produkte als klimaneutral oder klimapositiv bewirbt.

Ist ein weiteres Siegel wirklich sinnvoll?

Es handelt sich nicht um ein Siegel im eigentlichen Sinne mit strengen Standards. Das Logo soll den Verbrauchern signalisieren: Mit diesem Produkt unterstützt du Klima, Landwirtschaft und Böden. Die Lohners-Bäckereikette beispielsweise verkauft in ihren rund 170 Filialen vier verschiedene Klim-Brote, deren Verkaufserlös zum Teil an Landwirte fließt, die regenerative Maßnahmen umsetzen. Über einen QR-Code erfährt der Kunde, was genau getan und wie viel CO2 dadurch reduziert wird.

Bisher wurden Produkte im siebenstelligen Bereich mit dem Klim-Label verkauft. Die Transparenz und Einfachheit des Labels haben nachweislich dazu geführt, dass trotz möglicher Preiserhöhungen der Absatz gleich bleibt oder sogar steigt. 

Ist das Ziel von jährlich 4 Promille mehr CO2-Speicherung im Boden, um die durch den Menschen verursachten CO2-Emissionen auszugleichen, aus Ihrer Sicht realistisch? Könnten wir dann alle wieder guten Gewissens Verbrenner fahren und um die Welt fliegen?

Dieser Wert mag mathematisch stimmen, ist aber tatsächlich sehr ambitioniert, auch wenn es zunächst nach wenig klingt. Denn es müsste ja wirklich weltweit auf allen Äckern geschehen. Wir gehen davon aus, dass in Deutschland jährlich 5 bis 10 Mio. Tonnen zusätzlich im Boden gespeichertes CO2 möglich sind, wenn die regenerativen Prinzipien konsequent umgesetzt werden. Das sind ca. 0,3 Tonnen pro Hektar und tatsächlich deutlich weniger als die genannten 4 Promille. 

Dennoch wäre es sowohl in Deutschland als auch global ein massiver Beitrag zur Netto-Null, den die Regenerative Landwirtschaft leisten kann und aus unserer Sicht auch sollte.

Dieser Text erschien zuerst in der Lebensmittel Zeitung

Fotos: Klim

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