Brauchen Frauen besonders viel Mut, um es in der Hospitality-Branche weit zu bringen? Sollte das tatsächlich so sein, gibt es gute Nachrichten: Mut, Ideen, Durchsetzungskraft und der Glaube an sich selbst sind bei den Leading Ladies der Branche definitiv vorhanden. Das zeigte sich deutlich beim 9. Frauenforum Foodservice des Frauennetzwerks Foodservice in Hamburg, bei dem mehr als 300 Teilnehmerinnen ihre „Mutmuskel“ mit Netzwerken und Vorträgen renommierter Speakerinnen weiter trainierten. Im fast männerfreien Festsaal des Elysée-Hotels entwickelten sie gemeinsam Strategien, die eigenen Potenziale und Träume noch besser in begeisternde Führung oder kreative Konzepte umzusetzen und so die Gastronomie als Ganze ebenso entschlossen wie empathisch weiblicher zu gestalten.
Eröffnete das 9. Frauenforum Foodservice: Gunilla Hirschberger
„Wir versammeln uns heute hier nicht nur als Vertreterinnen der deutschen Gastronomie-Szene und als Frauen, die ihre Leidenschaft für die kulinarische Welt teilen, sondern um gemeinsam das Thema „Mut“ zu erkunden“, begrüßte Gunilla Hirschberger, Vorstandsvorsitzende des Frauennetzwerks, die mehr als 300 Teilnehmerinnen der 9. Auflage des Frauenforum Foodservice, das zum zweiten Mal in Hamburg stattfand.
Plattform für Entfaltung
„Ein Jahr des Wachstums liegt hinter uns, wir sind inzwischen mehr als 200 Mitglieder im Netzwerk – eine enorme Vielfalt an Persönlichkeiten, mit der wir weiblichen Führungskräften eine einzigartige Plattform für die Entfaltung von Ideen und Stärkung bieten“, unterstrich Hirschberger und forderte: „Das ist auch nötig angesichts der immer noch spürbaren Ungerechtigkeiten in der Branche und der Welt.“
Das Gehirn mag keine Veränderungen
Wie schwierig Wandel nicht nur des großen Ganzen, sondern auch für jede Einzelne ist, erklärte die Neuwissenschaftlerin Dr. Laura Wünsch, die empfahl, dem „Büro zwischen unseren Köpfen“ mehr Aufmerksamkeit zu schenken. „Unser Gehirn mag keine Veränderungen, denn es legt Muster von häufig wiederholten Tätigkeiten und Gedanken an, die es am liebsten wiederholt, um Energie zu sparen. Wollen wir etwas Neues ausprobieren, hat es erst einmal Bedenken. Und im Kopf läuft das Radio Shit FM in Dauerschleife – 75 Prozent unserer Gedanken sind negativ!“ Dies gelte es zu überwinden und Positives bewusst zu verstärken, so Wünsch.
Anstatt sich den eigenen Sorgen und Befürchtungen hinzugeben, gehe es aber darum, dem Gehirn Pausen zu ermöglichen: „Starren Sie einfach mal vor sich hin – bei Langeweile kommen uns in der Regel die besten Ideen!“
Selbstbewusst mit Ecken und Kanten
Manchmal sei es sinnvoll, sich direkt ins Zentrum der Gefahr zu begeben, denn dort sei man sicher, zitierte Wünsch ein chinesisches Sprichwort und überzeugte kurz darauf mit der Erkenntnis: „Diversität funktioniert nicht, wenn ein Team zwar aus unterschiedlichen Menschen besteht, aber in Fit-in Coachings alle gleichgemacht werden, damit sie hineinpassen.“ Menschen bevorzugten nachweislich andere Menschen, die trotz ihrer Ecken und Kanten selbstbewusst und souverän auftreten.
„Das Gehirn mag kein Chaos. Wer einen guten Platz im Leben und im Beruf bekommen will, muss selbstsicher und bestimmt diesen Platz einfordern. Nicht wie eine zusammengerollte Zimtschnecke, sondern wie ein charismatischer Hummer, der sich auch mal aufplustert und laut mit den Scheren klappert, um Aufmerksamkeit – die wichtigste Währung unserer Zeit – zu erzeugen.“
„Es ist gesünder, gemeinsam zu rauchen und zu saufen als einsam einen Salat zu essen.“
Stellte beim 9. Frauenforum Foodservice die Branchenzahlen vor: Katrin Wißmann
Es geht bergauf!
Vor dem Hintergrund der jüngsten Entscheidung, den reduzierten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent auf Speisen in der Gastronomie nicht zu verlängern, verfolgte das Publikum mit besonderer Aufmerksamkeit die Präsentation von Katrin Wißmann, Leitende Redakteurin european foodservice media, dfv Mediengruppe, die die 2022er Umsatzzahlen der Top 100-Foodservice-Unternehmen in Deutschland vorstellte. „Das Gastronomie-Erlebnis ist zurück und wieder so, wie es sein soll!“, lautete ihre mutmachende Botschaft, „Es geht trotz aller Widrigkeiten bergauf.“
Dennoch halte die Zukunft vielfältige Herausforderungen wie Trading Down-Effekte angesichts von Inflation und Krisenstimmung oder dem Mitarbeitermangel bereit. „Wir müssen diese Herausforderungen gemeinsam lösen“, rief Wißmann das Publikum auf, „als Branche, mit unseren Teams und unseren Gästen.“
Mut ist subjektiv
„Mut ist für mich kein Thema.“ Nach diesem eher unerwarteten Einstieg erzählte Jutta Kirberg, Geschäftsführerin Kirberg Catering, ihren Weg von der Weltstars wie die Rolling Stones und U2 mit Rezepten aus dem Kochbuch „Einfach kochen“ verpflegenden Selfmade-Köchin bis hin zu Kölns begehrtester Genussbotschafterin. Inzwischen steht ihr Catering-Unternehmen für einen jährlichen Umsatz von bis zu 14 Mio. Euro bei rund 400 Events pro Jahr, 100 feste sowie 150 freie Mitarbeiter und Vorzeige-Locations wie die Flora Köln und das Kurhaus Bad Honnef.
Seit Kurzem vertreibt Kirberg außerdem ausgewählte Spezialitäten aus ihrer eigenen Manufaktur auch als Retail-Produkte. „Mut ist subjektiv“, betonte sie und mahnte im unternehmerischen Kontext mehr Differenzierung an: „Ist Tun immer mutig und Lassen immer feige? Das Wort Mut wird inflationär gebraucht. Aber das Motto „Mut tut gut“ gilt nur, wenn es auch gut geht und sich der Mut auszahlt.“ Für sie persönlich bedeute Mut, immer wieder die Standards zu überwinden und Unerwartetes zu servieren – ganz getreu dem Unternehmensslogan: Unestablished since 1982.
Jutta Kirberg: „Mut ist auch, einmal ungewöhnlich zu würzen. Oft kommt etwas Gutes dabei heraus.“
Locker bleiben und den Job machen
Mutige Menschen werden nicht geboren, sondern vom Leben dazu gemacht. Davon ist Manuela Stone, seit 2019 Geschäftsführerin von Legoland Deutschland und als solche verantwortlich für 2 Mio. Besucher jährlich und rund 2.000 Mitarbeiter, überzeugt. Sie unterschied dabei zwischen ihrer Privatsphäre und dem beruflichen Leben. „Ersteres wurde geprägt von starken Frauen, die sich in einem von Männern dominierten Umfeld behauptet haben. Wir schaffen vieles gemeinsam!“, erzählte Stone auch von ihren im Rollstuhl sitzenden Eltern und aufgenommenen Geflüchteten aus der Ukraine. Beruflich sieht sie sich vor allem in wichtigen Meetings oder Krisensituationen wie beispielsweise nach einem Achterbahn-Unfall mit zahlreichen Verletzten gefordert. „Dann ist es wichtig, locker zu bleiben, tief Luft zu holen und seinen Job zu machen. Oft ist einem gar nicht bewusst, dass das mutig ist.“
„Es gibt keinen optimalen Endzustand. Feiern wir die gelebte Beta-Version.“
Das leben, wofür man steht
Mut ganz anderer Art brauchte Kathrin Flohr, als sie die Position als Vice President People & Culture bei Coca-Cola antrat. Damals stand sie nämlich vor der Frage, ob sie ihren Lebensmittelpunkt an den Hauptsitz von CCEP nach Berlin verlegen oder im 800 Kilometer entfernten Saarbrücken bleiben sollte. „Ich habe abgewogen und mich letztlich entschieden, als Vorbild für eine neue, flexible Arbeitskultur zu stehen, in der sich private Interessen und beruflicher Aufstieg verbinden lassen“, erklärte Flohr. Eine Vorbildfunktion, die wirkt: Inzwischen wohnen fünf Mitglieder ihres erweiterten Führungsteams ebenfalls nicht in Berlin, man trifft sich dort aber regelmäßig. Flohrs Tipp für die anwesenden Frauen: „Wenn ihr mal nicht sofort eine Antwort habt, nehmt euch Bedenkzeit, um in Ruhe die für euch richtige Lösung zu finden.“
Bleibt auch in Krisen cool: Manuela Stone
Lebt die moderne Arbeitskultur: Kathrin Flohr
Kritik annehmen
Nach der intensiv fürs Networking genutzten Mittagspause stand eine echte Weltmeisterin auf der Bühne. Triathletin Anne Haug berichtete über ihren von Höhen, Tiefen, Triumphen, Schmerz und Enttäuschungen geprägten Weg zum Sieg beim Ironman Hawaii und an die Spitze der Triathlon-Weltrangliste. „Trotz vieler Niederlagen und Zweifel habe ich immer mein Ding durchgezogen“, so die Ausnahmesportlerin, die erst im Alter von 20 Jahren das Schwimmen lernte. Druck und Kritik von außen zählen zu ihren größten Herausforderungen, „das muss man annehmen, denn nur unter Druck entstehen Diamanten.“ Ziele müssen man visualisieren, um sie zu erreichen, „Angst zu versagen hindert uns daran, alles in die Waagschale zu werfen. Und es muss immer klar sein: Perfektion ist nicht möglich, es passieren immer Dinge, die außerhalb unserer Kontrolle liegen. Dann heißt es: weitermachen!“
Netzwerken zahlt sich aus
Anschließend räumte Brigitte Huber mit dem „Märchen“ auf, dass rein weibliche Teams zwingend zum „Zickenkrieg“ führen müssen. „Dabei handelt es sich um ein Gerücht, von dem die Männer kein Interesse haben, es aus der Welt zu schaffen“, stellte die Chefredakteurin der Frauenzeitschrift Brigitte von Applaus begleitet klar. Dennoch empfahl sie, sich das von erfolgreichen männlichen Kollegen abzuschauen, was der Karriere gut tut: „Netzwerke machen kreativ, vor allem, wenn sie divers sind. Die individuelle Einzigartigkeit ist wichtig und darf nicht abgeschliffen werden. Netzwerken ist eine Investition, die sich erst im Laufe der Zeit auszahlt und bei der man manchmal in Vorleistung gehen muss.“
„Es ist okay, Angst zu haben. Man muss aber mit positiven Gedanken ‚draufhauen'“
Sie selbst habe als Chefredakteurin der Brigitte ihren Führungsstil verändert und treffe keine Entscheidung mehr ohne vorherige Rücksprache mit Kolleginnen. „Denn manchmal täuscht unser Bauchgefühlt, deshalb ist es wichtig zuzuhören und die Meinung des anderen ernst zu nehmen. Und bei Meinungsverschiedenheiten nicht beleidigt zu reagieren.“ Wichtig seien eine verständnisvolle Fehlerkultur und Vertrauen. „Das schafft maximale Spielräume für die Mitarbeiter, ihr Potenzial auszuschöpfen.“
Brigitte Huber, Chefredakteurin der Zeitschrift Brigitte: „Es bringt uns weiter, uns immer wieder auf Neues einzulassen.“
Eine in der Food-Branche immer häufiger anzutreffende Konstellation: Bestens ausgebildete Töchter übernehmen Familienunternehmen von ihren Vätern. Welche Herausforderungen es bedeutet, die Rolle als „Tochter von“ gegenüber Belegschaft und Kunden zu überwinden, sich Respekt zu verschaffen, mit neuen, herausfordernden und unvorhergesehenen Erfahrungen umzugehen und die tradierte Kultur im Sinne einer nachhaltigen und profitablen Zukunft zu modernisieren, berichteten beim Frauenforum Foodservice Sophie Hinkel, Geschäftsführerin Bäckerei Hinkel, Vivian Graetz, mit 31 Jahren jüngste Franchise-Nehmerin bei Tank & Rast und Nane Remagen-Ziech, Geschäftsführerin Hardy Remagen im Gespräch mit Yara Hoffmann.
Mehr Alltagsmut
Zum Abschluss animierte Tanja Peters die Anwesenden noch zu ein wenig Mutmuskeltraining für mehr Alltagsmut. „Seid doch aufgeregt, wenn ihr etwas Neues tut – das ist eine völlig normale körperliche Reaktion, aber verwechselt Wagemut nicht mit Mut“, so ihr Appell. Ein starker Mutmuskel braucht soliden Selbstwert, jede müsse verstehen, welche Stärken sie mitbringe. „Sprecht mit Menschen darüber, die euch wachsen sehen wollen“, empfahl Peters und mahnte: „Jedes Ja zu einer Anfrage, die ihr eigentlich nicht annehmen wollt, schwächt euren Selbstwert, jedes Nein ist ein Ja zu euch selbst.“ Pausen seien unerlässlich, um zu verstehen: „Wir und unsere Bedürfnisse sind wichtig!“
Beim Frauenforum Foodservice wird nicht nur der Geist, sondern auch der Körper trainiert.
„Das war ein Ideen-Overload mit mehr als 300 geilen Frauen“, lobte Gunilla Hirschberger bei ihrer Verabschiedung am Ende eines ereignisreichen Tags. „Und es war erst der Anfang – merkt euch alle schon mal den November 2024 vor. Dann treffen wir uns alle zum 10. Frauenforum Foodservice!“
Bildergalerie: Das war das 9. Frauenforum Foodservice in Hamburg
Das Frauennetzwerk Foodservice
Das Frauennetzwerk Foodservice ist ein starkes, bundesweites Netzwerk für Frauen aus der Food-Branche, die durch qualitative Begegnungen und Impulse gemeinsam lernen und wachsen wollen. Es hilft Frauen, sichtbarer und stärker im Job zu werden, ermutigt und inspiriert sie durch aktives Networking, Karriereschritte in Foodservice, Gastronomie und Hotellerie zu gehen.
Mitglieder sind die unterschiedlichsten Frauen aus der Branche: Von der Berufseinsteigerin, über Gründerin bis zur Geschäftsführerin aus Gastronomie, Hotellerie und Foodservice – im Netzwerk profitieren sie von den diversen Erfahrungen und Expertisen.
Fotos: Anna-Lena Ehlers Photography, www.anna-lena-ehlers.de, Barbara Schindler
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.