Lange mussten die Branchen-Ladys aus der Gastronomie warten, aber jetzt konnte es endlich stattfinden, das 7. Frauenforum Foodservice. Veranstaltet wurde es wieder vom Frauennetzwerk Foodservice, einer Vereinigung von weiblichen Führungskräften aus der Hospitality-Branche. Mehrfach verschoben und erstmals als hybrides Format, lockte die Veranstaltung mehr als 160 Gastro-Damen ins Radisson Hotel nach Köln und weitere gut 30 vor die heimischen Bildschirme.
Sie erlebten eine inspirierenden Tag voll weiblicher Energie, Power und gegenseitigem Support, bei dem – nicht nur inhaltlich – vor allem zwei Dinge zählten: Wärme im Umgang miteinander und der Wunsch, den Fähigkeiten und Talenten von Frauen im Berufsleben stärker als bisher zur Geltung zu verhelfen. Denn, wie Gunilla Hirschberger, die Vorstandsvorsitzende des Netzwerks, es ausdrückte: „Kompetenz hat nichts mit dem Familienstand zu tun!“
Moderierte das Frauenforum Foodservice gewohnt locker und energiegeladen: Vanessa Wilkens, die auch immer wieder die Fragen der online teilnehmenden Frauen berücksichtigte.
Plattform für Begegnungen
Wie geht es weiter mit der Gastro-Branche nach Corona? Wie lässt sich dem immer drängenderen Problem des Mitarbeitermangels begegnen? Wie den wachsenden Ansprüchen der Gäste? Und was bedeutet die drohende Klimakatastrophe für alle, die mit Lebensmitteln umgehen? Nur einige der während des siebenstündigen, von Moderatorin Vanessa Wilkens präsentierten Programms vor allem aus weiblicher Perspektive diskutierten Fragen, die das Gastgewerbe derzeit in Atem halten. Gunilla Hirschberger machte ihren Kolleginnen Mut: „Unsere Branche war schon immer flexibler und innovativer als andere. Wir sind eine unverzichtbare Plattform für Begegnungen, Austausch und Emotionen. Als solche werden wir auch in Zukunft unsere Gäste immer wieder überraschen und begeistern!“
Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker begrüßte die mehr als 130 Teilnehmerinnen zum Frauenforum Foodservice: „Wir können zuversichtlich auf die kommenden Monate schauen.“
Wie sich vorschnelle Urteile über Menschen zu stabilen Beziehungen verändern lassen, erklärte Kommunikationsexpertin Veronika Hucke. „Wie wir auf Menschen reagieren, beeinflusst, wie sie mit uns umgehen.“
Karriere hat nichts mit Zufall zu tun
Hirschberger beklagte, dass immer noch zu viele Frauen bei Beförderungen übersehen werden. „Dabei sind gerade Mütter oft stressresistenter, pragmatischer und vielseitiger als andere Mitarbeiter. Wir brauchen ein allgemeines Umdenken in der Branche, denn Karriere hat nichts mit Zufall zu tun. Und wir müssen uns gegenseitig mehr unterstützen, unser Wissen und unsere Erfahrungen untereinander weitergeben.“
Dass positive Erlebnisse im Job immer etwas mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun haben, unterstrich Veronika Hucke, Inhaberin D & I Strategy and Solutions. Sie zeigte auf, wie unbewusste Denkmuster, Assoziationen und Vorurteile unseren Blick auf andere Menschen beeinflussen. „Innerhalb von Sekundenbruchteilen bilden wir uns ein Urteil im Spannungsfeld der beiden Dimensionen ‚Wärme‘ und ‚Kompetenz‘. Frauen wird in der Regel eher ‚Wärme‘ zugeschrieben. Deshalb erledigen sie die ‚Wohlfühl-Aufgaben‘, damit es dem Team gut geht. Männer dagegen gelten von vornherein als ‚kompetent‘, sie tun die Dinge, die das Team voranbringen“, erklärte die Expertin. „Menschen, die wir für kompetent halten, trauen wir mehr zu. Wir teilen früher und mehr Informationen mit ihnen und sorgen so dafür, dass sie mehr leisten können. Dadurch enstehen unfaire Voraussetzungen, gegen die wir uns wehren müssen.“
Stereotypen aufbrechen
Hucke forderte die Zuhörerinnen auf, geltende Stereotypen aufzubrechen und dabei ihre Stärken zu nutzen: „Um Beziehungen aufzubauen, müssen wir Gemeinsamkeiten finden. Geben Sie auch mal Informationen über sich preis, die eine persönliche Ebene herstellen können.“
Speisen reisefähig machen
Einen wie immer sehr analytischen Blick auf die Gastro-Branche warf Gretel Weiß, Herausgeberin der Fachzeitschrift foodservice. Ihr Fazit des Krisenjahrs 2020 fiel eindeutig aus: „Corona hat verändert, wie wir leben! In der Pandemie war Lieferservice ein Game Changer. Gleichzeitig bleibt Genuss der stärkste Motor für das gastronomische Angebot.“ Als wichtigste Aufgabe identifzierte Weiß folgerichtig, Speisen „reisefähig“ zu machen, sodass sie auch zu Hause beim Gast noch Wow-Erlebnisse bieten. Und am besten noch instagrammable und mit mehr pflanzlichen Zutaten zubereitet sind.
Die Zahlen von Gretel Weiß beweisen es: Lieferdienste waren die absoluten Gewinner der Pandemie. Die meisten waren auch schon 2019 auf Wachstumskurs.
Das Gastro-Geschäft kommt zurück – jedoch zunächst stärker aus privater Nachfrage, wie Branchenexpertin Gretel Weiß erklärte.
Wie die viel beschworene Nachhaltigkeit in der landwirtschaftlichen Praxis funktioniert, demonstrierten anschließend die Biobäuerin Stephanie Strotdrees und Kerstin Hintz, Gründerin des Biohofs Ottilie im Alten Land. Beiden liegt es am Herzen, die Lebensmittelproduktion wieder zukunftsfähig beziehungsweise „enkeltauglich“ zu machen – auch gegen Widerstände –, weshalb sie für mehr naturgerechte Produkte auch in der Gastronomie warben. „Der durch Corona beschleunigte Reset war bitter notwendig. Der Weg in die Zukunft führt nicht über immer mehr Konsum“, betonte Strotdrees. „Stattdessen muss die Wertschätzung für Lebensmittel steigen und das tut sie auch.“
„Lass dich nicht gehen – geh selbst!“ Kirsten Hummerich, Erfinderin und Gründerin von Doaching – eine Frage der Haltung, brachte die Teilnehmerinnen beim 7. Frauenforum Foodservice in Bewegung. Ihre Botschaft: Kopfarbeit und Körperarbeit gehören zusammen – und: „Frauen dürfen sich mehr feiern!“
Eine Welt ohne Food Waste
Dafür, dass auch nachhaltig produzierte Lebensmittel nicht im Müll landen, kämpft Viola Bärwald, verantwortlich für B2B und Strategische Partnerschaften beim App-Anbieter Too Good To Go. Die Lebensmittelretter wurden erst kürzlich zu Deutschlands innovativster Marke gekürt und bieten Gastronomen, Lebensmittelhändler und ihren Kunden die unkomplizierte Möglichkeit, übrig gebliebene Speisen vor dem Wegwerfen zu retten (Mehr dazu…). „Es ist eine Win-Win-Win-Situation“, kommentierte Bärwald, und zeigte auf, warum die Vermeidung von Food Waste so ein wichtiger Faktor bei der Lösung der Klimakrise sein muss: „10 Prozent aller Treibhausgase entstehen durch Lebensmittel, die nicht verzehrt werden. Unser Ziel ist eine Welt ohne Food Waste!“
Bärwald verriet, dass 76 Prozent aller Nutzer der App wieder kommen, das heißt, Betriebe, die sie durch den Kauf einer Restetüte – oder „Magic Bag“ – kennengelernt haben, auch als reguläre Kunden besuchen. „Davon profitieren alle. Doch die größte Gewinnerin ist und bleibt die Umwelt!“
Authentisch ist das neue Cool
Wie der Rollenwechsel vom Team-Mitglied zur Chefin gelingen kann, berichtete am Nachmittag Manuela Stone, Geschäftsführerin Legoland Deutschland. Ihr Tipp, um die neue Position auszufüllen, ohne ehemalige Kollegen vor den Kopf zu stoßen: „Ein offener und ehrlicher Umgang miteinander. Stellen Sie sich ruhig noch einmal neu vor und nehmen Sie Ihr Team mit auf den neuen Weg. Und bleiben Sie in jedem Fall authentisch: Authentisch ist das neue Cool!“
„Wir müssen uns jetzt bewegen und raus gehen!“ Daniela A. Ben Said zeigte mit ihrem fulminanten Vortrag beim Frauenforum Foodservice, wie sich Kunden und Gäste mit frechen Ideen begeistern lassen.
Zum Abschluss des Frauenforum Foodservice erwartete die Teilnehmerinnen dann buchstäblich ein Feuerwerk, gezündet von der Kommunikationsexpertin und „Gedankenrevolutionärin“ Daniela A. Ben Said. Mit deutlichen Worten machte sie klar, worum es heute bei der Kommunikation und beim Verkaufen über Online-Kanäle geht: „Nur wer im echten Leben geilen Scheiß hat, kann auch geilen Scheiß posten!“ Heißt: Perfekte Dienstleistungen und Produkte sind inzwischen ein „Hygienefaktor“ und werden als selbstverständlich vorausgesetzt. „Aber erst ein Zusatznutzen, der die Kunden begeistert und verblüfft, macht Scheitern buchstäblich unmöglich. Deshalb: Gehen Sie raus, denken Sie neu, seien Sie anders!“ Das müsse gar nicht teuer sein: „Investieren Sie lieber Geist statt Geld!“
Chancensucher
Das gelte nicht nur bei der Gästeansprache, sondern ebenso für das rare Gut Mitarbeiter. „Machen Sie aus den angeblich schlechten Dingen gute. Wer frech ist, bleibt im Gedächtnis, wer andere Wege geht, eckt an. Aber es wird weitererzählt!“, appellierte Ben Said an das Publikum. „Die Chancen liegen darin, die Probleme meiner Zielgruppe zu lösen. Werden Sie zum Chancensucher! Denn mehr denn je lautet die Formel: Be different or die!“
Dass Frauen anders, aber selbstverständlich nicht weniger kompetent als Männer sind, ist keine neue Erkenntnis. Das Frauenforum Foodservice zeigte jedoch wieder einmal, wie viel Frauen erreichen können, wenn sie sich gegenseitig unterstützen und motivieren. „Netzwerken war noch nie so wichtig wie heute“, brachte Gunilla Hirschberger das Gefühl der Teilnehmerinnen online und offline auf den Punkt. „Wir werden als Frauennetzwerk Foodservice auch in Zukunft den Frauen – und damit der ganzen Branche – helfen, sich weiterzuentwickeln.“
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.