Hubert Sterzinger liebt zwei Dinge: Gastronom zu sein. Und Gast. Beides kann er auch gar nicht voneinander trennen. Viel zu sehr sind diese Bereiche seines Lebens miteinander verwoben: „Als Gastronom denke und fühle ich immer wie ein Gast. Und als Gast sauge ich alles auf, um ein besserer Gastronom zu sein.“ Dass er einmal hauptberuflicher Gastgeber sein würde, stand für den Innsbrucker schon früh fest: „Obwohl ich zunächst meinem Vater, einem Architekten nacheifern wollte. Aber er hat mir den Beruf ausgeredet: Ich kann einfach nicht gut zeichnen.“ Also trat der junge Hubert in die Fußstapfen seiner Mutter, die unter anderem ein Hotel sowie eine Kinogastronomie führte. Und hatte große Ambitionen: „Ich wollte die Gastro-Welt verändern!“

Mehr als 30 Jahre später lässt sich sagen: Hubert Sterzinger hat der deutschen Gastronomie tatsächlich seinen Stempel aufgedrückt. Immer wieder Impulse gegeben, Maßstäbe gesetzt, den Geschmack der Gäste geprägt. Frisch aus den USA zurückgekehrt, eröffnete er Anfang der 1980er Jahre am Fischmarkt in Hamburg sein erstes Meyer-Lansky’s – eine amerikanisch inspirierte Cocktailbar und Ausdruck seiner Liebe zum Lebensgefühl der Swing-Ära der Dreißiger Jahre. „Während alle die Beatles und die Stones hörten, liefen bei mir Frank Sinatra und die Andrew Sisters. Swing verbindet die Generationen!“

Cocktail-König von Hamburg

Das für Deutschland damals völlig neue Konzept schlug in der Szene ein wie eine Bombe und Sterzinger stieg zum „Cocktail-König“ (O-Ton Bild-Zeitung) von Hamburg auf. Es folgten ein gutes Dutzend Betriebe wie das Hemingway’s, Havannah, El Tequito und sogar eine Hot-Dog-Bar, von denen einige bis heute existieren. „Niemand hat in Deutschland mehr Cocktails verkauft!“, erinnert er sich stolz. Zahlreiche Größen der Hamburger Bar-Szene wie Marc Ciunis haben bei ihm gearbeitet.

Mit dem Astra-Brauhaus auf der Reeperbahn kehrte Hubert Sterzinger 2018 auf den Hamburger Kiez zurück: als Konzeptentwickler, Designer und Gesellschafter. Foto: Astra

In den Neunzigern dann der Bruch: Hubert Sterzinger verliert sein Gastro-Imperium aus “gesellschaftspolitischen Gründen”, wie er sagt, verlässt Hamburg und zieht nach Köln. Das Grübeln über Fehler oder Schicksalsschläge der Vergangenheit ist generell nicht sein Ding: „Ich glaube fest daran, dass alles, was im Leben geschieht, seine Bedeutung hat. Auch wenn wir manchmal lange warten müssen, bis wir den Sinn verstehen.“

Aus Ambiente und Produkten eine Bühne bauen

Seine gastronomische Karriere ist ohnehin alles andere als beendet. Er trifft Alex-Macher Irmin Burdekat und wurde für rund 18 Jahre als selbständiger Konzeptentwickler bei der Kette angeheuert. „Ich fand Systemgastronomie immer sehr spannend. Wie in der Individualgastronomie geht es auch hier darum, dem Gast und den Mitarbeitern aus einem stimmigen Konzept, tollem Ambiente und hervorragenden Produkten eine Bühne zu bauen, auf der sie sich wohlfühlen“, beschreibt Sterzinger seine Mission, die gar nicht so weit weg ist von seinem ursprünglichen Plan, Häuser zu entwerfen. „Je mehr System dahintersteckt, desto wichtiger ist die sichtbare Individualität eines Ladens.“

Klingt erst einmal paradox? „Nein, denn den entscheidenden Unterschied machen die Mitarbeiter. Gerade in Zeiten, in denen alle den ganzen Tag mit Technik hantieren, ist es das Glück unserer Branche, dass sie Menschen braucht“, ist der Unternehmer überzeugt.  

Herzensprojekt: Nach dem Erwerb des Café Paris in Hamburg brachte Hubert Sterzinger die Marke auch mit einem ersten Ableger nach Frankfurt. Weitere Standorte sind in Planung. Foto: nikita kulikov I photography http://nikita-kulikov.de

Gefragter Ansprechpartner

Eindrucksvolle Belege dieser Philosophie sind die Konzept-Relaunches von Alex, für die Sterzinger bis 2015 verantwortlich zeichnete, die neueste Generation des Cafe Del Sol, von Wilma Wunder aus der Enchilada-Gruppe und das kürzlich eröffnete neue Astra-Brauhaus auf der Reeperbahn in Hamburg. Mit seinen Firmen Cologne Bar Systems und Superstudio 21 ist er heute ein gefragter Ansprechpartner für die Großen der Branche, wenn es darum geht, müde Konzepte buchstäblich wieder schön und sexy zu machen und neue, zukunftsweisende Projekte zu gestalten. „Wir holen die Seele einer Marke ans Licht.“

Hubert Sterzinger hat der deutschen (System-)Gastronomie-Szene mit Konzepten wie Alex seinen Stempel aufgedrückt. Foto: privat

Dabei gilt: Sterzinger-Restaurants sind voller Emotion, bis ins letzte dekorative Detail liebevoll durchdacht, häufig mit einem femininen Touch. Ist seine weibliche Seite besonders ausgeprägt? „Man muss heute Gastronomie kreieren, die Frauen anspricht“, erklärt der Konzept-Profi. „Ich hatte Glück, dass ich in meiner Karriere fast immer mit großartigen Frauen zusammenarbeiten durfte.“ Beleuchtung und Sound sind ihm dabei besonders wichtig: „Mit der richtigen Musik kann man jeden Betrieb voll machen. Und Licht ist das Lächeln eines Ladens!“

Trifft man Hubert Sterzinger in einem ‚seiner‘ Restaurants, kann es durchaus passieren, dass er mitten im Gespräch einem suchend umherblickenden Gast den Weg zur Toilette zeigt. „Keine Hinweisschilder!“, so sein Credo. Die Gäste sollen fragen. Freut euch, sage ich zum Personal, dann kommt ihr mit den Leuten ins Gespräch!“

Hands-on-Mentalität

Für ihn selbst ist die Nähe zu seinem Publikum das Schönste, am Zapfhahn oder im Service fühlt sich der gelernte Hotelfachmann am wohlsten. „Wenn es meine Zeit erlaubt oder der Andrang es nötig macht, arbeite ich an allen Posten in meinen Betrieben mit. Nur so erwirbt man sich übrigens den Respekt des Teams. Und ‚fühlt‘ die Gäste.“ Auch die Eigentümer schätzen diese Hands-on-Mentalität: „Unternehmer wollen mit jemandem zusammenzuarbeiten, der Gastronomie in all ihren Facetten versteht und lebt. Das baut Vertrauen auf.“ 

Was wird in Zukunft wichtig für erfolgreiche Gastronomie? „Offene Küchen!“, kommt prompt die Antwort. „Transparenz ist das A und O. Ich kann nur an alle Gastronomen appellieren: Öffnet eure Küchen, beim Opening, bei Events. Das ist wie bei privaten Partys: Alle wollen in die Küche, sehen, wie das Essen zubereitet wird, nah dran sein.“ Wenn denn Fachkräfte darin arbeiten …? „Natürlich tun sich gerade neue Restaurants schwer, gute Mitarbeiter zu finden. Aber wenn der Laden erst einmal läuft, stehen diese häufig Schlange“, sagt Sterzinger.

Motivation ist wichtiger als Ausbildung

„Es kommt darauf an, seine Vision mit dem Team zu teilen. Ihm Sicherheit zu geben, sie stolz zu machen. Ich kann Menschen zwar dafür bezahlen, dass sie das tun, was ich möchte. Aber letztendlich arbeiten sie für sich und nicht für mich. Nur, wenn ich sie mitnehme, leisten sie mehr als das, wofür ich bezahle.“ Stimmt die Motivation, ist die Ausbildung zweitrangig. „Es gibt heute so gute Convenience-Produkte, die hohe Qualitätsstandards garantieren, die Arbeit in der Küche erleichtern und mehr Zeit lassen für die sorgfältige Zubereitung und liebevolles Anrichten. Damit können übrigens auch kleine Betriebe ohne eigene Küche ihre Gäste mit Kleinigkeiten begeistern.“ 

Als Gastronom will Hubert Sterzinger seine Gäste glücklich machen. Als Gast genießt er selbst gerne – wie die Austern im Café Paris. Foto: nikita kulikov I photography http://nikita-kulikov.de

In wenigen Wochen geht sein neuestes ‚Baby‘ an den Start: das Restaurant ’Moto‘ in der Kölner Motorworld, direkt neben dem im Sommer eröffneten Michael-Schumacher-Museum mit insgesamt 250 Plätzen. „Hier werden wir in motorsportaffiner Atmosphäre italo-amerikanisches Food und crazy Drinks zu sehr fairen Preisen servieren“, verrät Sterzinger. „Highlights sind zwei Öfen: einer für neapolitanische Pizza mit ausgefallenen Belägen und einer für die anderen Gerichte, darunter Chicken, Pasta, Antipasti und Salate. Dazu: geile Drinks wie Aperitivo-inspirierte High Balls. Alles zu Preisen um 10 €.“ Bei einem Betrieb soll es nicht bleiben: „Wir würden das Konzept gerne als Freestander multiplizieren, voraussichtlich angedockt an alte Tankstellen – Standorten also, die immer schon für Benzingeruch und Motorengeräusche standen!“ 

Hamburger Kult-Brasserie nun auch in Frankfurt

Nach Jahren der Tätigkeit für andere Unternehmer hat es ihn wieder gepackt, eigene Konzepte zu realisieren und zu führen. So kam es, dass er mit Holger Sturm vor einigen Monaten ihren „Lieblingsplatz“, das Café Paris in Hamburg, übernahmen und die – „behutsame“, wie Sterzinger betont! – Multiplikation der Kult-Brasserie mit einem ersten Franchise-Standort auf der Frankfurter Fressgass in Gang brachten. Berlin soll in diesem Jahr folgen. „Wir installieren gerade die notwendigen Strukturen für einen Roll-out auf hohem Niveau, um dieses zeitlose Lebensgefühl der Pariser Brasserien in die deutschen Städte zu bringen. Wir wollen Räume schaffen, in denen die Gäste eine kleine Auszeit vom Alltag nehmen, in eine andere Welt eintauchen können.“

Neue Eindrücke ‚atmen‘

Wohin taucht Hubert Sterzinger ab, wenn er mal keine Konzepte kreiert? „Ich liebe es Gast zu sein, einfach stundenlang in gastronomischer Umgebung zu sitzen, die Atmosphäre fühlen zu dürfen und neue Eindrücke ‚zu atmen‘.“ Am liebsten in London, seiner Traumstadt. Aber auch Amsterdam, Rotterdam und Paris steuert er regelmäßig an. „Klar, Berlin ist toll. Aber wenn ich auf eine andere Mentalität als die deutsche treffe, sammele ich ganz andere Inspirationen. Ich will schließlich außergewöhnliche Seelenwelten zaubern, um meine Restaurants zu ‚dritten Orten‘ für die Gäste zu machen.“

Den Look der Alex-Restaurants hat Hubert Sterzinger maßgeblich mitgestaltet. Foto: Mitchells & Butlers

Der Traum von Meyer Lansky’s

Angesichts seines vollen Terminkalenders bleibt Sterzinger selbst momentan wenig Zeit zum Durchatmen. Auch nach mehr als 30 Jahren in der Branche lässt ihn seine unbändige Energie kaum zur Ruhe kommen. Antrieb ist unter anderem sein Traum, die Marke Meyer Lansky’s, mit der seine gastronomische Karriere einst begann, eines Tages wiederzubeleben. „Das war mein erstes Baby und wird mein letztes sein. Als Ganztageskonzept, denn denen gehört die Zukunft. Und – wenn ich ein bisserl träumen darf – am liebsten noch ein Hotel im Dreißiger Jahre-Stil dazu. Getreu meinem Lebensmotto ‚Let the good times swing!‘“ Der erlebnisstarken Kombination aus Hotel und Gastronomie bescheinigt er großen Potenzial. „Beide Welten – Essen und Trinken sowie Übernachtung – müssen sich vermischen.“ Ruhestand ist also mit 59 Jahren noch lange kein Thema? Auf gar keinen Fall! „Ich werde bis zu meinem letzten Atemzug leidenschaftlicher Gastronom und kreativer Visionär sein!“

Dieser Text erschein zuerst in der Februarausgabe 2019 der Fachzeitschrift Fizzz.