Boyd Baptist steht hinterm Tresen seines Restaurants ‚The Chicken Bar‘ im Herzen Amsterdams und strahlt. „Wir haben im vergangenen Oktober ganz heimlich, das heißt, ohne Medienrummel oder Werbung eröffnet und waren schon nach kurzer Zeit auf TripAdvisor auf Rang sieben der beliebtesten Restaurants in Amsterdam.“ Zuvor war dem Gastronomen das Betreiben von mehreren angesagten Clubs in der niederländischen Metropole „zu weit weg vom Gast“. Nun ist er wieder ganz nah dran am Geschehen, steht selbst leidenschaftlich gern hinter der Bar. Inzwischen führt das Bewertungsportal das Restaurant, bei dem sich alles um nur ein Produkt – Rotisserie-Hähnchen – dreht, sogar auf Platz fünf. Grund genug, sich das Konzept einmal genauer anzusehen.  

‚Keep it simple‘, lautet das Motto in The Chicken Bar. Das Restaurant wird dominiert von einem mehrere Meter breiten Rotisserie-Grill. Daneben werkeln mehrere Köche in der offenen Küche. Ihre Aufgabe beschränkt sich allerdings größtenteils auf die Zubereitung der Beilagen: Pommes frites vom belgischen Kult-Hersteller Vleminckx, außerdem Ofenkartoffeln, gegrilltes Gemüse (mit einer wunderbaren Lemon-Note!), Maiskolben, Coleslaw und grüner Salat sowie eine Apfelsauce stehen für jeweils 4,50 € zur Auswahl. Das war’s schon fast in Sachen Hauptgerichte!

Chicken, chicken,

chicken …

Die Hähnchen drehen sie derweil am Spieß. Es gibt sie entweder halbiert für 11 € oder komplett für 21 €. „Natürlich brauchen auch wir alternative Gerichte für diejenigen, die partout kein Grillhähnchen wollen“, erklärt Baptist. Deshalb stehen auch Spare Ribs vom Kalb und ein Chicken Burger auf der Karte. Diese passt inklusive der wichtigsten Getränke auf eine DIN A4-Seite und wird auf einem Klemmbrett gereicht.

Grund zur Freude: Inhaber Boyd Baptist. Foto: Barbara Schindler

Rund 500 Hähnchen finden in The Chicken Bar pro Woche ihren Weg vom Grill in die Mägen der Gäste. Das Restaurant, das bislang nur an fünf Tagen pro Woche geöffnet war, bietet 48 Sitzplätze, die regelmäßig ausreserviert sind. „Am Wochenende kommen normalerweise 280 Gäste und mehr pro Tag“, berichtet der Gastronom. Anders als beispielsweise in London, wo Grilled Chicken nicht zuletzt dank der südafrikanischen Kette Nando’s längst einen festen Platz in der Gastro-Szene hat, ist das Produkt in Amsterdam Baptist zufolge noch relativ außergewöhnlich und begeistert Einheimische wie Touristen. Der Erfolg motiviert ihn, die Öffnungszeiten ab sofort auf sieben Tage pro Woche auszuweiten.

Bio-Hähnchen, sous-vide gegart

Das Geheimnis? Einerseits sicherlich die Spezialisierung auf nur ein Produkt. Der Gast versteht sofort, um was es geht und hat trotzdem die Möglichkeit, sein Gericht über die Beilagen zu individualisieren. Dann natürlich die hohe Qualität: „Gemeinsam mit unserem Lieferanten arbeiten wir daran, den Geschmack immer weiter zu verbessern“, berichtet Baptist. „Unter anderem garen wir unsere Bio-Hähnchen erst ’sous vide‘, bevor sie auf den Grill kommen. Dadurch werden sie besonders zart und saftig.“

Auch bei den Vorspeisen dreht sich alles ums Huhn: Chicken Strips, Chicken Wings, Pulled Chicken … alles zu fairen Preisen (7,50 € für 5 Strips). Die Getränkeseite betont mit Cocktails und Gin Tonic das schon im Namen ausgedrückte Selbstverständnis als Bar. So ist der Tresen eindeutig als Ort der Kommunikation gedacht: Nicht nur, dass hier bevorzugt Single-Gäste platziert werden – Inhaber Baptist lässt es sich auch nicht nehmen, mit jedem Besucher persönlich ins Gespräch zu kommen.  

Auch bei den Vorspeisen dreht sich alles ums Bio-Huhn. Foto: The Chicken Bar.

Die Bar ist neben dem Geflügel zweiter wichtiger Konzeptbestandteil. Foto: The Chicken Bar.

Die Bar als Ort der Kommunikation

„Ich will einfach nah bei meinen Gästen sein, mit Menschen reden, ihre Geschichten hören“, erklärt der Gastronom, der zuvor lange Jahre im Amsterdamer Nachtleben unternehmerisch aktiv war. „An der Bar treffen sich Menschen aus aller Welt, die in Amsterdam zu Gast sind. Da entwickeln sich tolle Gespräche.“ Seine Freude über den Erfolg der Chicken Bar kann er dabei kaum verbergen – sie wirkt tatsächlich ansteckend. Für größere Gruppen gibt es im Restaurant entsprechende Tische mit viel Platz für Teller: Sharing ist, gerade, was die Beilagen angeht, Teil der Idee. 

Im Schnitt wandern 100 Hähnchen am Tag vom Grill auf den Teller der Gäste. Foto: The Chicken Bar.

Das gemütliche Ambiente mit kahlen Ziegelwänden, dekorativen Details und rotweißen Servietten rundet das Wohlfühl-Konzept ab. Ein Format, wie gemacht für die Multiplikation!? Baptist winkt ab. „Erst einmal nicht. Obwohl: Wir suchen gerade eine Fläche für ein Schwesterkonzept, bei dem es um Fried Chicken gehen soll. Dann vor allem als Lieferbusiness.“ Aus der Chicken Bar liefert er nämlich nicht. „Die Fahrer würden die Atmosphäre und die Abläufe zu sehr stören.“

Make Eggs, not War

Die Liebe zu seinem Produkt geht bei Boyd Baptist so weit, dass es ihn sogar schmerzt, dass für die Chicken Bar so viele Hähnchen ihr Leben lassen müssen: „Manchmal stellen wir uns schon die Frage, was wir hier tun“, sagt er mit einem Augenzwinkern. „Das Tierwohl ist uns extrem wichtig.“ Ganz entsprechend seinem in Leuchtschrift an der Wand des Restaurants verewigten Leitspruchs, der wunderbar zu Amsterdam passt: „Make eggs, not war!“