Mit dem 2017 gegründeten Unternehmen Vertical Food/Chefly zählt Beschir Hussain zu den deutschen Pionieren des „Ghost Kitchen“-Trends. Seine eigens für den Lieferservice entwickelten Food-Marken punkten mit absoluter Kundennähe – sowohl räumlich als auch in Bezug auf das nachfragegerechte Angebot. Für das Schweizer Fachmagazin BOSG Chef-Sache haben wir exklusiv mit dem Unternehmer über seine Pläne gesprochen. 

„Wir sind keine Geisterküche, sondern eine Delivery Kitchen“, stellt Beschir Hussain klar. Dem Gründer von Chefly ist es wichtig, das noch junge, wahlweise als Ghost, Cloud oder Dark Kitchens bekannte Phänomen aus der Ecke des Geheimnisvollen und Verborgenen herauszuholen. „Auch wenn wir keine Restaurants betreiben und nur für das Liefergeschäft produzieren, stehen wir für Transparenz, Offenheit und faire Zusammenarbeit mit anderen Marktteilnehmern.“

An demnächst fünf Standorten in Berlin und Frankfurt kochen die Mitarbeiter von Chefly Spezialitäten aus aller Welt. Diese werden unter Marken wie „fresh’s“, „Vadolì“, „BunUp“ oder „Spyces“ über die großen in Deutschland aktiven Lieferplattformen Lieferando, UberEats und Wolt, aber auch auf der eigenen Chefly-Website zum Online-Bestellen angeboten. Das Besondere: Die Kunden erfahren auf den ersten Blick nicht, dass die Bowls, Steinofenpizzen, Burger oder Shawarma auf den verschiedenen Speisenkarten in ein und derselben Küche hergestellt werden. 

BeschirHussain
Beschir Hussain baute zunächst im Mittleren Osten die Lieferplattform Hellofood auf und ist seit 2017 in Deutschland mit seinem Unternehmen Vertical Food/Chefly aktiv. Fotos: Vertical Food.

Food Brands mit speziellen Sortimenten

Während er von Saudi-Arabien aus die im Mittleren Osten erste Lieferplattform „Hellofood“ aufbaute, erkannte Beschir Hussain zwei Schwachpunkte im Geschäft mit geliefertem Essen. „Die meisten Fehler passieren bei der Produktion und bei der Lieferung des Essens“, weisß der Gründer. Zurück in Deutschland, lancierte er 2017 sein Unternehmen Vertical Food – inzwischen unter der Dachmarke Chefly aktiv – mit der Vision, diese Schwächen zu beheben und dazu nah bei den Kunden Food Brands mit speziell entwickelten Sortimenten aufzubauen – vorzugsweise mit Gerichten, die schnell zuzubereiten sind und den Lieferprozess sowohl optisch als auch geschmacklich gut überstehen. „Auch Speisen, die wie die Steinofenpizza ein bestimmtes Equipment benötigen oder im Liefermarkt bisher noch nicht erhältlich waren, sind für uns interessant“, sagt Hussain. 

Chefly

Derzeit führt Chefly mit rund 80 Mitarbeitern sieben eigene Marken – zwei davon als Retail-Kanäle. „Unsere Marken sind komplementär zu einander, operieren aber autark“, erklärt Hussain. Kulinarisch bedienen sich die einzelnen Brands wo möglich aus demselben Zutatenkorb: Das Baukastenprinzip reduziert die Komplexität und den Food Waste. Für die Entscheidung, welche Marke wann und in welcher Küche „aufgeschaltet“ wird, sodass die Kunden bestellen können, spielen Daten eine wichtige Rolle. „Bei der Analyse, welches Essen wann wo am gefragtesten ist, arbeiten wir eng mit den großen Lieferplattformen zusammen und nutzen ihr umfangreiches Wissen über die lokalen und tageszeitspezifischen Vorlieben der Kunden“, verrät Hussain. Chefly kann so nicht nur die Bedürfnisse der Kunden punktgenau befriedigen, sondern auch die eigenen Küchen optimal auslasten.

„Nur, weil wir kein Restaurant im klassischen Sinne sind, heißt das nicht, dass wir keine besonderen Geschichten zu erzählen haben und uns in der digitalen Anonymität verstecken.“
Beschir Hussain

Gründer, Vertical Food/Chefly

Dynamisch angepasste Auswahl

Seit Kurzem öffnet sich Chefly auch für externe Anbieter, die ihre Reichweite in die Stadtteile vergrößern wollen, ohne gleich einen weiteren Laden oder ein Restaurant zu bauen. Voraussetzung: Das Angebot muss hochwertig und für das Liefergeschäft geeignet sein, außerdem für angelernte Mitarbeiter leicht zuzubereiten. „Wir können eine Marke innerhalb von zwei Wochen live schalten und ermöglichen damit sehr schnelles Wachstum“, verspricht Hussain. Die Standorte verbinden ein dicht besiedeltes Wohnumfeld mit ausreichend Gewerbeeinheiten und einem kaufkräftigen, digitalaffinen Publikum, das sowohl mittags als auch abends, wochentags ebenso wie am Wochenende für Bestellfrequenz sorgt.

Stadtteile, in denen die großen Plattformen nicht aktiv sind, deckt die eigene Lieferlogistik ab. „Selbst in Gegenden, in denen sich eine Präsenz für Lieferando & Co. nicht lohnt, da es nur wenige potenzielle Partnerrestaurants gibt, können wir so auf einen Schlag eine dynamisch angepasste Auswahl aus zehn oder mehr verschiedenen gastronomischen Angeboten liefern“, erklärt Hussain. Wer über chefly.de ordert, kann darüber hinaus die Angebote der einzelnen Brands nach dem Mix & Match-Prinzip in einer einzigen Bestellung kombinieren. 

Chefly

Sichtbarkeit der Dachmarke

Um die eigenen Marken und die Dachmarke Chefly bei den Verbrauchern bekannt zu machen, setzt Chefly nicht nur auf den Aufbau einer Community über eine starke Social Media-Präsenz, sondern auch auf Sichtbarkeit der Küchen in der Nachbarschaft.

„Wir bieten immer auch Essen zum Abholen an. Am Standort Berlin-Mitte gibt es sogar ein paar Sitzplätze. Die Möglichkeit, vor Ort mit dem Team zu sprechen, und Transparenz bei der Zubereitung geben Vertrauen“, sagt Hussain. Storytelling hilft dabei, bestimmte Gerichte in den Vordergrund zu stellen. Wie die Steinofenpizza von „Vadolì“, die dank ihrer 111 verschiedenen Käsesorten im Guinnessbuch der Rekorde steht – und sich über euphorische Kommentare auf den einschlägigen Bewertungsportalen freuen darf. Oder die Kooperation mit dem Sternekoch Gal Ben Moshe für das mediterrane Konzept „Spyces“. „Nur, weil wir kein Restaurant im klassischen Sinne sind, heißt das nicht, dass wir keine besonderen Geschichten zu erzählen haben und uns in der digitalen Anonymität verstecken“, hebt der Unternehmer hervor. „Es ist uns wichtig, die Werte, die uns prägen, zu kommunizieren.“

„Irgendwann wird die Zahl der Lieferküchen größer sein als die der Restaurants.“
Beschir Hussain

Gründer, Vertical Food/Chefly

Investor Unilever

Für die nächsten Monate stehen die Expansion in weitere acht Städte und die Eröffnung von 15 zusätzlichen Küchen auf der Agenda. Mittelfristig soll sich Chefly – mit Hilfe des Investors Unilever – in der ganzen DACH-Region etablieren – als Ergänzung zum bestehenden gastronomischen Angebot. „Auch wenn Corona das Essenbestellen für viele Menschen alltäglich gemacht hat, wird die traditionelle Gastronomie nicht eines Tages komplett durch reine Lieferküchen ersetzt werden“, glaubt Hussain und prognostiziert Delivery gleichzeitig eine Vormachtstellung im Außer-Haus-Markt der Zukunft: „Irgendwann wird die Zahl der Lieferküchen größer sein als die der Restaurants.“

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