In Hamburg können Gastronomen bald entscheiden, ob sie nach der „3G-Regel“ geimpfte, genesene und getestete Gäste in ihren Betrieben empfangen und dafür weiterhin Kapazitätsbeschränkungen akzeptieren, oder ob sie gemäß „2G“ nur Geimpften und Genesenen Zutritt gewähren, dafür aber – theoretisch – wieder fast alle Plätze besetzen dürfen. Die Branche diskutiert die Vor- und Nachteile und spürt bereits die Folgen: „In Bremen haben wir nach einem missverständlichen Zeitungsartikel, in dem eins unserer Restaurants fälschlicherweise als Anwender von 2G bezeichnet wurde, bereits einen ordentlichen Shitstorm bekommen“, berichtet Gastronom Roland Koch, der sowohl an der Weser als auch an der Elbe diverse Restaurants und das east-Hotel betreibt. „Die Politik wälzt hier erneut die Verantwortung auf uns als Unternehmer ab!“
Die Wut vieler Kommentatoren in den sozialen Netzwerken überrascht Koch nicht: „Die 2G-Regel schließt tatsächlich viele Menschen vom Restaurantbesuch oder der Teilnahme an Veranstaltungen aus, die sich derzeit gar nicht impfen lassen können: Was ist mit Kindern, Schwangeren, Vorerkrankten? Sollen die alle nur noch zu Hause bleiben?“
Ungeimpfte Mitarbeiter
Für sein Unternehmen Gastro Consulting, das unter anderem die Betriebe des „east Cosmos“, das Störtebeker in der Elbphilharmonie, die CHILLI Clubs in Hamburg und Bremen sowie das Herzblut St. Pauli betreibt, komme 2G nicht in Frage: „Deshalb werden wir auch bei unseren Gästen Tests akzeptieren, bis wir von der Regierung andere Vorgaben umzusetzen haben. Allgemein bekannt ist, dass die Gastronomie niemals ein Pandemietreiber war, insofern reichen auch die vorhandenen 3G-Regeln vollständig aus. Für uns ist klar, dass wir weiterhin konsequent die Hygiene-Vorgaben umsetzen werden.“ Bei Tanzveranstaltungen ohne Maske könne 2G jedoch sinnvoll sein, um die Sicherheit erhöhen.
Denn die Entscheidung, ob Getestete ein unvertretbares Risiko für die Pandemiebekämpfung darstellen, müsse die Politik treffen, nicht die Gastronomen. „Seit einem Jahr heißt es, die Tests seien sicher“, sagt Koch. „Jetzt soll es plötzlich nicht mehr so sein? Aber wie sicher sind Impfnachweise, die leicht zu fälschen sind und oft nicht richtig kontrolliert werden?“ Selbst doppelt geimpft könnten Menschen sich schließlich nach aktuellem Stand der Wissenschaft mit dem Corona-Virus infizieren und andere anstecken.
„Seit einem Jahr heißt es, die Tests seien sicher. Jetzt soll es plötzlich nicht mehr so sein?“
2G erhöht Druck auf Impfunwillige
„Es kann nicht sein, dass die Politik unsere Branche dazu benutzt, den Druck auf die Impfunwilligen zu erhöhen“, analysiert Koch. Der Unmut der Betroffenen richte sich nicht gegen die Regierenden, sondern gegen die Unternehmen, die – meistens, um ihre Kapazitäten wieder voll auszuschöpfen – von der 2G-Regel Gebrauch machen. „Wieder wird nicht auf die Einwände unserer Branche gehört und stattdessen populistisch entschieden, was im Wahlkampf opportun erscheint.“
Bald wieder volles Haus im Herzblut St. Pauli? Solange es keine konkreten Vorgaben von der Politik gibt, dürfen auch Geteste das Restaurant auf der Reeperbahn besuchen – dafür aber insgesamt weniger Gäste kommen.
Der Winter wird schwierig
Kochs Enttäuschung ist groß, dass wieder die Gastronomie im Fokus der Maßnahmen steht. „Wieder sollen wir das Sonderopfer bringen, die Kritik der Ungeimpften auf uns zu ziehen. Dabei sind auch unsere geimpften Gäste noch sehr zurückhaltend, wenn es darum geht, in den Innenräumen Platz zu nehmen. Der Winter wird daher für uns ohnehin erneut schwierig. Da brauchen wir keine Shitstorms und keinen Gäste-Boykott!“
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.