Enorme Kostensteigerungen bei Lebensmitteln und Energie, ein höherer Mindestlohn, der angesichts von massiver Personalknappheit in vielen Betrieben ohnehin Makulatur ist und eine allgemeine Konsumzurückhaltung der Verbraucher, die zuerst an dem sparen, was auf den ersten Blick verzichtbar erscheint: Die Aussichten für die Gastronomie sind in diesem Winter und darüber hinaus mehr als trübe. Kürzlich gaben 62 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage an, ihre Ausgabe von Restaurantbesuche einschränken zu wollen.  „Das bedeutet aber auch, dass fast 40 Prozent der Verbraucher dies nicht tun wollen“, machte Erich Nagl, Vorstand der ETL Unternehmensberatung, beim Online-Kongress POW von gastromatic der Branche Mut. „An diese 40 Prozent müssen wir ran!“ 

Erich Nagl POW

Diskutierten beim gastromatic POWer Event die Frage, wie Gastronomie in schwierigen Zeiten erfolgreich sein kann: Moderator Jan-Peter Wulf (nomyblog) und Erich Nagl, Chef der ETL Adhoga Steuerberatung

Erich Nagl glaubt nicht daran, dass die Menschen dauerhaft auf Gastronomie verzichten wollen und können: „Wir haben es nach den Corona-Lockdowns erlebt, wie riesig der Hunger der Leute auf das soziale Wohnzimmer war. Essen gehen ist eine so wichtige und elementare gesellschaftliche Funktion, die Kitt unserer Gesellschaft – dem zu entsagen, halten die meisten nicht lange aus.“ Dennoch stehen Gastronomen mehr denn je vor der Aufgabe, ihr Business professionell und kennzahlengestützt zu führen. Bei der POW gab Nagl konkrete Tipps, was es dabei zu beachten gilt:

Stoische Ruhe

Zunächst heißt es, sich die tatsächlichen Preissteigerungen in den vergangenen Jahren vor Augen zu führen: Die Kosten für Energie und Lebensmittel wuchsen demnach seit 2015 exorbitant stärker als die Preise in der Gastronomie. „Seit Jahren herrscht hier stoische Ruhe. Es tut sich nahezu nichts, während die Preise in anderen Bereichen wild schwanken“, bemängelte Nagl. „Das Gastgewerbe ist diesbezüglich völlig undynamisch.“ Schon Albert Einstein habe festgestellt: „Es ist die reinste Form des Wahnsinns, alles beim Alten zu belassen und trotzdem zu hoffen, dass sich etwas ändert.“

Nagl ergänzte diese Erkenntnis im Hinblick auf die Gastronomie: „Es ist die reinste Form des Wahnsinns, Preise und Prozesse beim Alten zu lassen und trotzdem zu hoffen, dass sich etwas zum Besseren ändert.“

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Inflation ist nicht das Ende der Welt

Noch schlimmer: Es werde schlechter werden, wenn die Gastronomen Angst vor der Veränderung und vor der Reaktion ihrer Gäste hätten. „Das Preisproblem hat immer der Gastronom, nie der Gast!“ Erich Nagl bezweifelte, dass zweistellige Inflationsraten immer automatisch problematisch sind und verwies auf die Türkei. Dort seien die Einnahmen der Tourismusbranche seit Jahrzehnten trotz anhaltend hoher Inflation konstant gestiegen. „Eine hohe Inflation muss nicht gut sein, aber sie ist auch nicht das Ende der Welt.“

„Warum tut sich die Gastronomie so schwer damit, an starken Tagen wie Freitag und Samstag auch nur minimal an der Preisschraube zu drehen? Wenn die Zahlungsbereitschaft an diesen Tagen höher ist – warum nutzen wir das nicht aus?“

Erich Nagl

Vorstand, ETL Unternehmensberatungs AG

Um ein Unternehmen auch in schwierigen Zeiten auf Kurs zu halten beziehungsweise zu bringen, kommt es laut Nagl auf drei Zahlen an: Liquidität als Sauerstoff des Unternehmens müsse mithilfe einer rollierenden Liquiditätsvorschau. „Dazu reicht ein einfaches Tabellenprogramm, in das ich alle Daten und Erkenntnisse, die für die Liquidität wichtig sind, eintrage“, erklärte der Experte. „Wöchentlich ist zu prüfen, ob sich meine Prognosen auch erfüllen, oder ob ich sie an die Realität apassen muss. Bei Abweichungen ist sofort zu handeln!“ 

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Schichtbezogene Einsatzplanung

Zahl Nummer 2: Der Personaleinsatz. „Hinterfragen Sie Traditionen bei der Dienstplangestaltung“, empfahl Erich Nagl. „Beim Personaleinsatz zähle nur die tatsächlich zu vergebende Arbeit, die notwendig ist, damit der Gast die gewünschte Erfahrung im Restaurant macht. „Egal, wie das Versprechen an den Gast lautet – es muss eingehalten werden. Das definiert die zu vergebende Arbeit.“ Empfehlenswert seien deshalb eine schicht- statt personenbezogene Einsatzplanung und – wenn möglich und sinnvoll – ein bereichsübergreifender Einsatz von Mitarbeitern.  „Warum nicht auch mal die Buchhalterin Teller tragen lassen, wenn es um Zusammenhalt und den gemeinsamen Unternehmenserfolg geht?“

Erich Nagl
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Last but not least entscheidet Kennzahl Nummer 3 über Erfolg oder Misserfolg: der Wareneinsatz. „Hatte er früher höchste Priorität, steht heute der Dreiklang aus Qualität, Quantität und Preis im Vordergrund“, erläuterte Nagl. „Der Preis entscheidet längst nicht mehr alleine. Wenn ich ihn ständig reduziere, serviere ich irgendwann nur noch Zwieback und Tee.“ Alle drei Parameter müssten so festgelegt werden, dass sie zueinander passen und diese Zielmarke dann auch verlässlich erreicht werden. „Ausschläge in die eine oder andere Richtung dürfen weder zu Lasten des Unternehmens noch zu Lasten des Gastes gehen.“ 

„Das Preisproblem hat immer der Gastronom, nie der Gast!“

Erich Nagl

Vorstand, ETL Unternehmensberatungs AG

Etl

Penner von der Karte streichen

Nützlich sind dabei auch sogenannte „Renner-Penner-Listen“, die jedes moderne Kassensystem ohne Probleme auswirft. „Die Artikel, die sich gut verkaufen sind ebenso wichtig wie diejenigen, die gute Deckungsbeiträge abwerfen“, erklärte Nagl. „Produkte, die weder das eine noch das andere leisten, sollten schleunigst von der Karte verschwinden und Platz machen für Neues.“ Bei den Gerichten mit hohem Deckungsbeiträgen, aber schwachem Abverkauf, lautet die Aufgabe, sich zu überlegen, wie man sie besser verkaufen können. Richtig gefährlich seien dagegen Produkte, die sich zwar gut verkaufen, aber nur sehr geringe Deckungsbeiträge liefern. „Sie tragen nicht nur selbst nichts zum Gewinn bei, sondern kannibalisieren auch noch diejenigen Produkte, mit denen der Gastronom Geld verdienen würde.“ Die Frage laute: Warum verkaufen sich diese Artikel so gut und wie kann man sie profitabler gestalten? „Als Sofortmaßnahme sollte man bei ihnen als erstes die Preise erhöhen“, rät ErichNagl.

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Hilfreich sei in diesem Zusammenhang die Digitalisierung. „Digitale Speisekarten verkaufen erwiesenermaßen gut, Tischreservierung, CRM und prüfungssichere Dokumentation zahlen ebenfalls auf die Kennzahlen ein und sollten genutzt werden.“ Nicht zuletzt ermöglicht die Dynamisierung der Preise ein flexibles Reagieren auf Angebot und Nachfrage. „An Tankstellen passiert das bis zu siebenmal am Tag und wird akzeptiert“, kommentierte Nagl. „Warum tut sich die Gastronomie so schwer damit, an starken Tagen wie Freitag und Samstag auch nur minimal an der Preisschraube zu drehen? Wenn die Zahlungsbereitschaft an diesen Tagen höher ist – warum nutzen wir das nicht aus?“ Digitale Speisekarten ermöglichen es längst, volatile Einkaufspreise auch an die Gäste weiterzugeben. 

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Mehrkosten aufteilen

Und wie umgehen mit den massiv gestiegenen Energiekosten? „Zunächst einmal muss ich herausfinden, wie hoch die Mehrkosten tatsächlich sind“, so Nagl. „Diese Summe muss anteilig auf jeden verkauften Artikel aufgeschlagen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, welchen Aufschlag das jeweilige Produkt verträgt.“

Auch bei dieser Prognose ist es wichtig, das Eintreten der erwarteten Entwicklung regelmäßig zu kontrollieren. „Professionalität bedeutet, sich mit den Details zu beschäftigen.“ Letztendlich seien es sieben Punkte, die gastronomischen Erfolg auch in herausfordernden Zeiten ermöglichen, fasste Nagl zusammen: „Die Umsätze stehen ganz oben, ihnen folgt unverzichtbar die Preiskalkulation. Wird sie einigermaßen eingehalten, resultiert daraus eine entsprechende Liquidität. Einbezogen werden müssen außerdem die Rezepturen und die daraus entstehenden Kosten. Ein gewisser Umsatz zieht zwangsläufig immer einen bestimmten Wareneinsatz und Personalkosten nach sich, denn ich brauche dafür eine bestimmte Anzahl an Mitarbeitern mit bestimmten Fähigkeiten. Dieses Wissen wiederum fließt in den Dienstplan ein.“ 

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Wissen konsequent umsetzen

Warum straucheln trotzdem so viele Gastronomen? „Ganz einfach“, schloss Erich Nagl, „der Unterschied zwischen den erfolgreichen Unternehmen und den weniger erfolgreichen liegt einzig und allein in der Anwendung dieses Wissens. Wenn die Konsequenz da ist, ist man in der Regel auch vorne mit dabei. Es reicht schon, ein bis zwei Themen pro Monat wirklich anzugehen.“ Eine Aufschlagskalkulation nach Bauchgefühl, der Blick auf den Pro-Kopf-Umsatz, jährliche Inventuren und eine bedingt aussagekräftige BWA brächten dagegen heute niemanden mehr weiter. „Das ist der verlässlichste Weg, sich selbst aus dem Markt zu nehmen.“ Mit rollierender Liquiditätsplanung, Deckungsbeitragsanalyse – auch als Umsatz pro Sitzplatz und geleisteter Arbeitsstunde –, dynamischem Pricing, einer regelmäßigen Kontrolle der – warengruppenspezifischen – Einkaufspreise sowie der Einhaltung der Rezepturen und last but not least der Kalkulation des Unternehmerlohns werde man als Unternehmer in Zukunft definitiv nicht schlechter dastehen – egal, welche Stürme in den kommenden Monaten noch heraufziehen.

Erich Nagl