Welcher Gastronom träumt nicht davon: dass sein Konzept erfolgreich über die Grenzen des Heimatmarktes hinaus wächst? In London, Paris und Kopenhagen reüssiert? Eine internationale Marke wird? Leider leichter gesagt als getan – die Expansion über Ländergrenzen hinweg birgt viele Fallstricke und Unwägbarkeiten, die auch große, gut etablierte Systeme vor enorme Schwierigkeiten stellen. Welche das sind und wie man sie meistert, das wollte Mario C. Bauer, ehemaliger Vorstand und heutiger Berater von Vapiano sowie Mitbegründer des Ketchup-Labels Curtice Brothers, von seinen Branchenkollegen wissen. Für seine Studie ‚How to conquer Europe?‘ befragte er hochrangige Vertreter namhafter international aktiver Gastronomie-Unternehmen, wie sie die Herausforderungen in den großen europäischen Märkten beurteilen und handhaben.
Dank Bauers großen Netzwerks innerhalb der Branche beteiligten sich so renommierte Marken wie Wagamama, Five Guys, Jamie’s Italian, Pret und Shake Shack an der Umfrage.
Die im Rahmen der Studie befragten Top-Manager internationaler Fast-Casual-Marken repräsentieren mehr als 5.000 Restaurants in ganz Europa mit einem Schwerpunkt in Großbritannien. Sie teilen ihre Einschätzungen und Strategien für das Vereinigte Königreich, Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Spanien. Bei der Frage nach dem attraktivsten Markt in Europa eroberte Großbritannien mit weitem Abstand vor Frankreich die Spitzenposition – trotz seiner Dichte etablierter Foodservice-Marken. Dem zweitplatzierten Markt Frankreich attestierten die Befragten das Fehlen von wirklichem Wettbewerb im Fast-Casual-Segment und die Bereitschaft der Bevölkerung, für Premium-Produkte mehr Geld auszugeben.
Höhere Ausgaben in den Niederlanden und Deutschland
In den Niederlanden, die als drittattraktivster Markt bewertet wurden, ist demnach vor allem das hohe Einkommensniveau interessant für Foodservice-Unternehmen ebenso wie die wachsenden Ausgaben für Außer-Haus-Verzehr. Diese machen auch den deutschen Markt – auf Platz vier – zunehmend attraktiv für internationale Player, außerdem natürlich seine Größe und die bislang geringe Durchdringung mit internationalen Marken.
Die Studie
- 15 Teilnehmer
- Unternehmen: Dean & David, Wagamama, O’Leary’s, Brewdog, Grom, Five Guys, La Tagliatella, Coffeeshop Company, Pret A Manger, Shake Shack, Jamie Oliver Restaurants, Yo! Sushi, Joe & the Juice, Le Pain Quotidien, Vapiano
- Attraktivstes Land in Europa: 5 Punkte/3 Punkte/1 Punkt
- Marktkriterien: (1 = Leicht, 5 = Schwierig) Verfügbarkeit von Flächen, Partnern, wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Befragt nach den Kriterien ihrer Entscheidung für oder gegen einen Markt, gaben die Manager an, zu allererst auf die Größe, die Bevölkerungszahl und die Zahl potenzieller Standorte zu schauen. Gleich dahinter: die Verfügbarkeit von geeigneten Partnern und das verfügbare Einkommen. Kaum eine Rolle für die Entscheidung spielt dagegen, ob die jeweilige Marke im Markt bereits bekannt ist.
Bei der Feinanalyse der großen Märkte beklagten die Befragten den ständigen Kampf um gute Flächen und die Menge großer Player in Großbritannien sowie die hohen Mieten und Steuern im Königreich. Positiv hervorgehoben wurden die großen Entwicklungsprojekte, die auf der Insel derzeit realisiert werden. Partner gebe es vielen, darunter allerdings auch viele Schwarze Schafe. Große Sorgen macht außerdem der drohende Brexit.
Spanien: Verbrauchervertrauen wächst wieder
Spanien bekam insgesamt bessere Noten, sowohl für die reife Franchising-Kultur als auch für das sich erholende Verbrauchervertrauen. Auch die Vermieter seien sehr aufgeschlossen für starke Marken als Mieter, jedoch werden für attraktive Lagen häufig hohe Ablösesummen verlangt. Beunruhigung herrscht hier über die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens.
Mario C. Bauer
Mario C. Bauer war fast zehn Jahre lang verantwortlich für die internationale Expansion von Vapiano. Mit seinem Team eröffnete er mehr als 200 Restaurants in 33 Ländern. Er stammt aus einer österreichischen Gastronomen-Familie und gründete schon früh mehrere Startups, darunter Bagel Station und Papernomad (nachhaltige iPad-Hüllen). Kürzlich belebte er mit einigen Freunden die traditionsreiche Ketchup-Marke Curtice Brothers wieder und positioniert sie derzeit als exklusive Marke für Gastronomie und Hotellerie. https://aperitivo.international, mario@aperitivo.international
In Frankreich verhindern dagegen laut den Branchengrößen ein überregulierter Arbeitsmarkt, ein Mangel an Partnern und die drohende Gefahr terroristischer Anschläge ein einfaches Geschäftemachen. Fast Casual-Konzepte seien hier sehr gefragt, heißt es. Jedoch sei vor allem der Markt in Paris in Sachen Flächenablöse völlig verdorben, beklagen die Gastronomen.
Und wie wird der deutsche Markt beurteilt? Hier gibt es nach Einschätzung der internationalen Player die günstigsten Mieten in ganz Europa, gleichzeitig gelten die Vermieter als kompliziert. Und man braucht viel lokale Marktkenntnis, um den deutschen Verbraucher zu ‚knacken‘. Auch der Mangel an passenden Partnern und Führungspersonal ist ein Grund, warum die großen Foodservice-Marken mit dem Markteintritt zögern. Generell werden die deutschen Gastronomen eher risikoscheu und stark auf regionale Märkte fokussiert eingeschätzt.
Deutschland: Geringe Preise für Lebensmittel
Dass die Deutschen im internationalen Vergleich sehr wenig Geld für Lebensmittel ausgeben, ist bekannt und wird auch von den Befragten beklagt. Insgesamt bewerten sie die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen hierzulande jedoch recht positiv. Hier schneidet Frankreich unter dem Strich am schlechtesten ab.
Und das Fazit? Am wichtigsten sei es, großartige Leute zu finden, die das lokale Business für die internationalen Marken managen, so der ‚friendly advice‘ der Experten. Es gebe außerdem keine allgemeine Strategie, die auf alle Märkte passe, die lokalen Gegebenheiten müssen immer mit einbezogen werden. Und die Hausaufgaben sollten vor dem Schritt in neue Märkte gemacht werden, sprich: das Konzept muss effizient, qualitätsorientiert und leicht zu multiplizieren sein. Kommen dann noch ein geographischer Fokus auf einen zunächst kleineren Radius und ausreichende Flexibilität hinzu, steht einem schnellen Wachstum – auch im europäischen Ausland – nichts im Wege.
Curtice Brothers
Was ist eigentlich Ketchup? Diese grundlegende Frage stellten sich Mario C. Bauer und seine vier Mitstreiter, als sie vor ein paar Jahren feststellten, dass es fast überall nur noch die gleichen industriell hergestellten Ketchup-Sorten mit hohem Zuckeranteil gab. Die Antwort auf die Frage geben sie heute mit Curtice Brothers, einer Ketchup-Marke aus dem 19. Jahrhundert die sie wiederbelebten und seither in der internationalen Gastronomie und Hotellerie vertreiben.
Curtice Brothers Ketchup besteht zu 77 % aus echten italienischen Bio-Tomaten, er enthält 55 % weniger Salz und 50 % weniger Zucker als der Ketchup des Marktführers. Kürzlich wurde Curtice Brothers mit dem Great Taste Award ausgezeichnet. ketchup@curticebrothers.com, https://curticebrothers.co/
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.