Seit Beginn der Corona-Krise redet die ganze Branche über Hygiene. Eigentlich im Gastgewerbe eine Selbstverständlichkeit, machen die neuen Verordnungen zum Schutz gegen die Ausbreitung des Virus‘ vielen Gastronomen auch Sorge. Wie lassen sie sich konkret umsetzen? Welche Fehler kann man machen? Was kostet es, das eigene Hygienekonzept noch einmal zu optimieren, um die Sicherheit von Gästen und Mitarbeitern angesichts der Infektionsgefahr zu garantieren? Für Housekeeping-Spezialistin Mareike Reis ist Hygiene im Gastgewerbe schon lange das A und O. Sie sagt: „Wer schon immer sauber mit dem Thema umgegangen ist, muss vor den neuen Regeln keine Angst haben. Für diejenigen aber, die sich bisher nicht in ausreichendem Maß mit dem Thema beschäftigt haben, ist Corona der Weckruf, endlich zu handeln!“.

Mareike Reis

Die Hotelbetriebswirtin Mareike Reis berät, trainiert und coacht Hotels und Gastronomie erfolgreich mit ihrem Team zum Thema GANZHEITLICHES HOUSEKEEPING: Qualitätsmanagement, Leadership, Umsetzung in der Praxis, Implementierung von Reinigungs- & Hygienekonzepte und unterstützt Führungskräfte mit ihrem Mentoring-Programm. Nach einigen Stationen in der (Luxus)-Hotellerie u.a. als leitende Hausdame hat sie sich mit ihrem Beratungsunternehmen 2016 selbstständig gemacht. Zudem ist die Housekeeping-Spezialistin als Autorin, Moderatorin und Referentin gefragt. 

Frau Reis, auf einmal sprechen alle über Hygiene, das muss Sie doch freuen, oder?

MR: Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Natürlich ist es wichtig, dass das Thema mit Corona in den Fokus rückt. Aber man darf ja nicht vergessen, dass viele Unternehmen durch die Krise in ihrer Existenz gefährdet sind. Das ist wahrlich kein Grund zur Freude.

Warum tun sich Gastronomen und Hoteliers denn mit dem Thema Ihrer Erfahrung nach schwer?

MR: Das hat verschiedene Gründe. Einige wissen tatsächlich gar nicht, was professionelle Gebäudereinigung bedeutet. Sie befolgen irgendwie die Regeln, die man ihnen mal beigebracht hat – durchaus nach bestem Wissen und Gewissen. Andere sehen vor allem die hohen Kosten mit entsprechenden Einsparpotenzialen. Diese gehen übrigens häufig zu Lasten der ausführenden Mitarbeiter.

Generell gilt jedoch – und Corona zeigt das sehr deutlich: Hygiene ist kein Kostenfaktor, sondern die unverzichtbare Basis für ein erfolgreiches Unternehmen in Gastronomie und Hotellerie. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass sich viele Branchenkollegen bereits auf einem sehr guten, professionellen Reinigungsstand befinden. Meine Empfehlung lautet, ehrlich seinen eigenen Betrieb diesbezüglich zu durchleuchten.

Das bedeutet, dass sich jemand auf höchster Ebene verantwortlich fühlen und deutlich kommunizieren muss?

MR: Hygiene ist definitiv Chefsache – schon allein aus Haftungsgründen! Nur wenn sich die Geschäftsleitung hier in der Pflicht sieht, bekommt das Thema den Stellenwert, der nun gefordert ist und es werden die nötigen Mittel bereitgestellt. Es muss allerdings durch alle Ebenen der Mitarbeiter verstanden und gelebt werden.

Worauf kommt es aus Hygiene-Perspektive an, wenn es darum geht, das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2 zu bekämpfen?

MR: Das allerwichtigste ist, die Mitarbeiter immer wieder zu schulen, damit sie verstehen, warum sie was zu tun haben. Wie sie Keimverschleppung vermeiden und mögliche Infektionsketten unterbrechen können. Warum sie dazu die richtige Ausrüstung benutzen müssen. Wie kann man den Erreger deaktivieren? Wie sind die Übertragungswege?

Dazu muss man die mikrobiologischen Eigenschaften des Virus berücksichtigen. Bei SARS-CoV-2 handelt es sich nicht um einen lebenden Organismus, man kann es also nicht töten. Der Erreger ist eine Erbinformation, der Zellen umprogrammiert, um sich zu vervielfältigen. Durch Tenside, also waschaktive Substanzen, wie z.B. Seife und das richtige Desinfektionsmittel kann die Oberflächenstruktur – die Lipidhülle – des Strahlenkranz-Virus zerstört werden, wodurch es inaktiviert wird, also nicht mehr infektiös ist. Die Virologen sind sich derzeit relativ sicher, dass die Hauptübertragung durch die Atemwege erfolgt. Eine Schmierinfektion über Oberflächen ist nach etlichen Tests der Wissenschaftler relativ unwahrscheinlich. Wer seinen Mitarbeitern diese Dinge fundiert und sachlich erklärt, kann ihnen Ängste nehmen. 

Hygiene

Die richtigen Reinigungs- und Desinfektionsabläufe sind besonders entscheidend. In welcher Reihenfolge wird gereinigt? Mit welchen Mitteln und Einwirkzeiten? Wo sind die Gefahren? Da muss jetzt sehr viel Fachwissen vermittelt werden.

 Man sollte auch die Intervalle anpassen, vieles braucht jetzt mehr Zeit. Das müssen Gastronomen auch bei der Vergabe von Reservierungen beachten. Wo immer möglich, empfehlen sich digitale Hilfsmittel, mit denen das Berühren von Gegenständen vermieden wird, zum Beispiel digitale Speisekarten oder die Abgabe der Kontaktdaten über das Scannen eines QR-Codes.

Ich kann nur jedem empfehlen, sich an die Regeln zu halten, um Gäste und Mitarbeiter zu schützen.

Mareike Reis

Hygiene-Spezialistin, www.mareike-reis.de

Welche Fehler kann man ganz konkret beim Desinfizieren machen?

MR: Jede Menge! Schließlich handelt es sich um Gefahrenstoffe! Zum Beispiel sollte man kein Flächendesinfektionsmittel auf seine Hände reiben, das ist sehr schmerzhaft. Umgekehrt gilt das Gleiche: Ein Händedesinfektionsmittel hat auf Flächen nichts zu suchen, da es häufig Rückfetter enthält, die dann die Fläche schmierig machen. Alkoholbasierte Desinfektionsmittel z.B. zerstören langfristig Kunststoffflächen. Gibt man sie auf große Flächen, besteht außerdem die Gefahr, dass ein entzündliches Alkohol-Luft-Gemisch entsteht. Reinigungs- und Desinfektionsmittel müssen aufeinander abgestimmt sein und man darf sie nicht mischen. Auch die Lagerung muss sehr sorgfältig durchdacht sein.

Die Desinfektion wendet man mit einer Scheuer-Wisch-Technik an. Wenn immer es möglich ist, auf Sprühen verzichten! Das Desinfektionsmittel gehört flächendeckend auf die Oberflächen und nicht in die Lungen der Mitarbeiter! Professionelles Reinigen beinhaltet außerdem die 16-Seiten-Tuchfalt- und Tuchwechselmethode zum systemischen Abwischen von Oberflächen, sodass jede Fläche mit einer frischen Seite des Tuchs abgewischt wird.

Wenn man das Tuch stattdessen zusammenknüllt, trägt man die Keime von einer Fläche zur nächsten. Es empfiehlt sich außerdem, mit einem Farbkodex zu arbeiten, der jede Tuchfarbe einem bestimmten Bereich fest zuordnet. In der Hotellerie ist das längst üblich.

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Mareike Reis hat unter anderem an der Erstellung eines Hygiene-Whitepapers für die Hotellerie mitgearbeitet, das auch für Restaurantbetreiber wertvolle Informationen liefert. Kostenloser Download hier

Notwendig sind auch geeignete Handschuhe. Und leider muss man das Desinfektionsmittel auch auf der Fläche trocknen lassen und darf es nicht sofort wieder abwischen, da sonst die Wirkung aufgehoben wird.

Das alles gilt unabhängig von SARS-CoV-2. Es gibt ja viele andere gefährliche Erreger wie z.B. das Norovirus oder auch die Grippe. Dass in jedem Betrieb genügend Microfasertücher und Handschuhe vorhanden sind, sollte jetzt einfach selbstverständlich sein.   

Wie sinnvoll sind die Auflagen, unter denen gastgewerbliche Betriebe nun wieder öffnen dürfen?

MR: Viele Maßnahmen sind schon extrem – denken Sie an die Küche, in der jetzt mit Mundschutz gearbeitet werden muss. Aber ich kann nur jedem empfehlen, sich an die Regeln zu halten, um Gäste und Mitarbeiter zu schützen. Wer versteht, wie das Virus funktioniert und übertragen wird, kann die Gefahren in seinem Betrieb am besten einschätzen. Eines ist mir noch besonders wichtig: Achten Sie darauf, dass Ihre Mitarbeiter mindestens alle zwei Stunden den Mund-Nasen-Schutz wechseln. Aufgrund von Feuchtigkeit bei der Ausatmung sammeln sich Bakterien an, die durch das Einatmen schwere Erkrankungen auslösen können, wie zum Beispiel Lungenentzündung, chronischen Reizhusten oder Asthma. Bitte denken Sie an Ihre eigene Gesundheit trotz solidarischem „Maskentragen“.

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Jetzt werden immer wieder Aerosole, also kleinste Partikel in der Atemluft, als möglicher Infektionsweg genannt. Kann man denen mit Hygiene überhaupt beikommen?

MR: Dazu gibt es eine neue Studie, die besagt, dass diese Mini-Tröpfchen-Kerne bis zu drei Stunden in der Raumluft überleben können. Prinzipiell kommt es darauf an, die Viruslast möglichst gering zu halten. Regelmäßiges und gründliches Lüften ist hier sicher eine ganz wichtige Maßnahme. 

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Es heißt auch, Hygiene werde durch Corona zum Marketing-Instrument. Wie muss eine gelungene Kommunikation mit dem Gast aussehen?

MR: Wir haben es mit einem breiten Spektrum an Gästen zu tun: Der eine gehört möglicherweise zur Risikogruppe und ist sehr ängstlich, während die nächste keinerlei Gefahren sieht.

Deswegen braucht man neben dem Hygiene-Konzept auch unbedingt ein Kommunikationskonzept, das dem Gast transparent und plausibel verdeutlicht, welche Maßnahmen der Betrieb ergriffen hat, um seine Sicherheit zu gewährleisten, und warum diese notwendig sind. Die Mitarbeiter müssen besonders in dieser Hinsicht geschult werden, damit sie je nach Situation im Sinne der Geschäftsführung reagieren können.

Das beste Konzept auf Ihrer Homepage nützt Ihnen nichts, wenn die Mitarbeiter die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht verstanden haben oder aus Zeitdruck die Arbeitsabläufe nicht korrekt ausführen.

Wird das Thema Hygiene in der Werbung aufgegriffen, sollte es nicht zu funktional oder buchstäblich ‚steril‘ kommuniziert werden, sondern so menschlich-emotional, authentisch wie möglich: Posten Sie kein Foto von Ihrem Reinigungsmittel in den sozialen Medien, sondern Bilder, Videos Ihres Reinigungsteams – das Einverständnis der Mitarbeiter natürlich vorausgesetzt. Dadurch bekommen Ihre Hygiene-Maßnahmen ein Gesicht und es schafft Vertrauen. Vertrauen ist in diesen Tagen die wichtigste Währung für das Gastgewerbe!