Der erste Sommer mit Corona ist für die deutschen Gastronomen einigermaßen glimpflich verlaufen: Das Wetter spielte über weite Strecken mit, sodass Biergärten und Terrassen vielerorts gut gefüllt waren. Nach dem mehrmonatigen Lockdown war ein großer Teil der Deutschen froh, wieder ausgehen zu dürfen, die Infektionszahlen blieben zunächst niedrig. An der frischen Luft hielten sich die Ängste vor einer Ansteckung mit dem Virus ganz offensichtlich in Grenzen. Doch die Tatsache, dass die warmen Monate schon sehr bald dem kühlen Herbst und einem noch kälteren Winter weichen werden, schwebt wie ein Damokles-Schwert über der Branche.
Wer sich jetzt noch keine Gedanken gemacht hat, wie er seine Innenräume Corona-sicher gestaltet und seinen Gästen so einen sorgenfreien Aufenthalt im Restaurant garantiert, für den werden die nächsten Wochen aller Voraussicht nach zu einer großen Herausforderung. Für die Frankfurter Mook Group hat sich Halil Özdemir als Hygiene-Beauftragter der Aufgabe angenommen. Er und Christian Mook berichten exklusiv, wie sie Mitarbeiter und Gäste wirksam vor einer Infektion schützen wollen.
Herausforderungen bleiben groß
Halil Özdemir ist froh, dass einige der besonders strengen Regeln im Kampf gegen das Corona-Virus wieder gelockert wurden. „Die in Hessen vorübergehend geltende Vorgabe, dass für jeden Gast mindesten 5 qm Platz zur Verfügung stehen müssen, hat es vielen Gastronomen wirklich schwer gemacht, auch nur annähernd wirtschaftlich zu arbeiten“, sagt der Head of Purchasing und Facility Manager der Mook Group. Das Unternehmen von Christian Mook betreibt in Frankfurt am Main sechs Lifestyle-Restaurants, darunter das Franziska im Henninger Turm, den Ivory Club und das Zenzakan. Die Befreiung von der Maskenpflicht sei für die Gäste ebenfalls eine große Erleichterung gewesen, so Özdemir. Doch auch wenn auf den ersten Blick beim Interview-Termin im Restaurant Mon Amie Maxi fast alles wieder scheint wie vor der Krise: Die Herausforderungen, denen sich Gastronomen wie Mook in diesen Tagen stellen müssen, werden nicht kleiner. Im Gegenteil.
Halil Özdemir hat alle Maßnahmen getroffen, damit die Gäste in den Mook-Restaurants auch im Winter sicher sind. Foto: Barbara Schindler
Hygiene First!
Vor allem in puncto Hygiene und Desinfektion gilt nach wie vor: allerhöchste Priorität! Unter anderem desinfiziert das Mook-Team sämtliche Oberflächen in den Gasträumen und Küchen sowie natürlich die Toiletten im 30-Minuten-Rhythmus.
Seit dem 1. Juli, als die Mook-Restaurants ihre Türen wieder öffneten, bis Ende August hat Özdemir allein rund 180 Liter Desinfektionsmittel gekauft.
Die Tischdecken werden gewechselt, sobald der Gast das Restaurant verlässt. Abstandhalten ist ebenfalls angesagt: Immer noch stehen in den Restaurants nur um bis 50 % reduzierte Kapazitäten zur Verfügung.
Für sein jüngstes Konzept Krazy Kraken musste Christian Mook in der Corona-Krise Insolvenz anmelden. Das Restaurant ist jedoch nach wie vor im Regelbetrieb geöffnet. „Es besteht eine durchaus realistische Chance, dass wir uns entschließen werden, das Krazy Kraken auch in Zukunft weiterzuführen, obwohl die Stadt Frankfurt die Zeit des Lockdowns effizient genutzt hat, um im direkten Umkreis wieder einmal unzählige Parkplätze zu vernichten“, so Mook. „Dies wird uns das Betreiben von hochspezialisierter Nischengastronomie an diesem Standort zukünftig ungemein erschweren.“ Laut Halil Özdemir steht das Konzept in den Räumen des ehemaligen Mook-Restaurants Surf & Turf derzeit auf dem Prüfstand: „Wir werden in den kommenden Monaten entscheiden, ob wir dort weiterhin auf anspruchsvolle Fisch- und Seafood-Küche setzen oder etwas anderes machen.“ Foto: Mook Group
Transparenz ist wichtig
Özdemir weiß: All das reicht im Winter vermutlich nicht, um auch diejenigen Gäste in die Restaurants zu locken, die sich bisher wegen Corona nur in der Außengastronomie wohlfühlen. Deshalb setzt er auf rund 1,50 m hohe, durchsichtige Trennscheiben aus 8 mm starkem Plexiglas, um die einzelnen Tische voneinander abzuschirmen. „Transparenz ist uns wichtig“, betont der Facility Manager. „Wir möchten unseren Gästen nicht das Gefühl geben, dass sie in einem abgeschlossenen Bereich eingesperrt sind, sondern die offene Atmosphäre unserer Restaurants erhalten.“ Erste Tests bestätigen, dass die Trennscheiben nahezu unsichtbar sind: „Das Service-Personal läuft immer mal wieder dagegen“, sieht Christian Mook schmunzelnd den gewünschten Effekt erreicht. Insgesamt 100 Scheiben hat er für die sechs Restaurants bestellt – die Spezialanfertigungen schlagen mit einem Stückpreis von 400 Euro zu Buche.
Kaum sichtbar, aber sicher: Die Plexiglasscheiben im Yvory Club schützen die Gäste vor zu viel Nähe. Foto: Barbara Schindler
100 % Frischluftzufuhr
Und dabei bleibt es nicht. Auch die Lüftungsanlagen werden an die neue Situation angepasst: „In allen unseren Restaurants gibt es Deckenlüftungsanlagen mit Frischluftzufuhr“, erklärt Özdemir. „Wir tauschen die Luft viermal pro Stunde fast komplett aus und haben den Anteil der Frischluft von früher 30 % auf 100 % erhöht.“ Die Lösung: mobile Filter, die unter anderem von der Universität der Bundeswehr in München getestet wurden. Sie sind 1 m hoch und 60 mal 60 cm breit. Viren werden mit der Luft ins Gerät gesaugt und dort durch Hitze abgetötet. „Rein optisch sind sie kein Highlight, aber es hat für uns absoluten Vorrang, dass unsere Gäste und Mitarbeiter sich wohl und sicher fühlen!“, betont Özdemir. Kostenpunkt je Gerät: etwa 5.000 Euro, pro Restaurant werden mehrere Einheiten benötigt. Ihre Mobilität ist ein klarer Vorteil: „Dadurch können wir sie immer genau dort einsetzen, wo wir sie brauchen, zum Beispiel auch in Private Dining Rooms“, erläutert der Facility Manager. „Außerdem besteht die Möglichkeit, notfalls zusätzliche Geräte nachzukaufen, wenn wir feststellen, dass die vorhandene Leistung nicht ausreicht.“
„Wir möchten unseren Gästen nicht das Gefühl geben, dass sie in einem abgeschlossenen Bereich eingesperrt sind, sondern die offene Atmosphäre unserer Restaurants erhalten.“
Die Lage ist schwierig, aber nicht aussichtslos
Alles in allem schätzt er das Volumen der notwendigen Investitionen in die Corona-Sicherheit der Mook-Restaurants auf rund 100.000 Euro. Eine beachtliche Summe, finanziert durch Kredite in einer Zeit, in denen das Unternehmen nach drei Monaten ohne Umsätze aktuell etwa 50 % der normalen Erlöse erwirtschaftet. Aber alternativlos. Denn dank Trennschreiben und Luftreinigung will die Mook Group bald wieder 100 % ihrer Kapazitäten nutzen. „Ohne diese Investitionen dürften wir im Winter nur sehr viel weniger Gäste empfangen.“ Özdemir und sein Chef Christian Mook sind sich bewusst, dass für sie die Lage zwar schwierig, aber längst nicht so aussichtslos ist wie für viele andere Gastronomen, denen das Geld fehlt, um die kostenintensiven Schutzmaßnahmen umzusetzen. „Wir tun, was möglich ist“, sagt Mook.
Die Restaurants der Mook Group sind auch aufgrund ihres edlen und detailverliebten Ambientes Kult bei den Frankfurtern. Fotos: photography nikita kulikov http://nikita-kulikov.de
„Unsere Stammgäste, die wir per Newsletter über die Sicherheitsvorkehrungen informieren, sind glücklicherweise recht entspannt, was Restaurantbesuche zur Corona-Zeiten angeht. Aber natürlich brauchen wir auch neue Gäste, denen wir unmissverständlich vermitteln wollen, dass wir alles tun, damit sie bei uns vor einer Infektion sicher sind“, sagt Özdemir. „Dazu gehört, dass wir Vorreiter sind, wenn es darum geht, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Denn auch nach Corona wird es Viren und andere Erreger geben. Die Sensibilität bei Mitarbeitern und Gästen für diese Tatsache ist definitiv gestiegen. Deshalb müssen und werden wir bei der Hygiene am Ball bleiben!“
Christian Mook: „Die Bazooka ist eine Platzpatrone“
Unternehmer Christian Mook will die Corona-Gefahr nicht kleinreden, beklagt aber die ausbleibende Hilfe für Gastronomen nach dem Lockdown: „Alle unsere Restaurants waren drei Monate lang geschlossen, aber wir haben bislang nicht einen Euro Unterstützung bekommen. Aufgrund unserer Holding-Struktur hieß es zunächst, dass uns maximal 30.000 Euro zustehen. Die Mühe wollten wir uns zunächst gar nicht machen.
Zeit und Nerven investiert
Motiviert vom Dehoga haben wir dann doch für die einzelnen Restaurants Gelder beantragt, die jeweils mit den unterschiedlichsten Begründungen abgelehnt wurden: Entweder es gab zu viele Mitarbeiter im Restaurant oder der Betrieb war zu neu oder es wurde ein Häkchen falsch gesetzt …. Das nennt die Regierung dann ‚Bazooka‘. Für mich war es eher eine Platzpatrone. Selbst wenn wir alle versprochenen Hilfen bekommen hätten, wären die 180.000 Euro kaum ausreichend gewesen, um unsere Verluste von 7 bis 8 Mio. Euro in diesen drei normalerweise sehr umsatzstarken Monaten aufzufangen.“ Hinzu kommt: Die intensive Hilfe von Steuerberatern und Juristen hat nicht nur nichts gebracht, sondern zusätzlich Geld, Zeit und Nerven gekostet.
Der Staat verdient mit
„Alles Dinge, die wir speziell in der aktuellen Situation gut hätten gebrauchen können. Ein fast amüsanter Nebeneffekt ist übrigens die Tatsache, dass alle externen Beraterhonorare natürlich steuerpflichtige Leistungen darstellen“, kommentiert Mook trocken. „Der Staat hat sich dementsprechend auch noch an den gescheiterten Hilfegesuchen bereichern können.“
Den Sommer hat die Mook Group trotzdem besser gemeistert als zunächst erwartet: „Alle unsere Prognosen wurden deutlich übertroffen. Aber ehrlich gesagt legen wir im Sommer ohnehin immer drauf – unsere Art von Gastronomie lebt neben der Top-Kulinarik einfach vom außergewöhnlichen Ambiente der Innenräume“, analysiert der Unternehmer. „Wenn im Sommer alle draußen sein wollen, gibt es in Frankfurt viele Alternativen.“ Jetzt heißt es, im Winter herauszuholen, was möglich ist: „Die Lage ist wirklich dramatisch, aber aufzugeben gehört glücklicherweise nicht zu unseren Stärken!“
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.