Diese Lady ist ein Roboter: Sie arbeitet in einem Hinterhaus in Frankfurter Bahnhofsviertel auf einer Fläche von gut 6 qm. Mit ihren zwei Armen kocht sie an acht Töpfen ein gutes Dutzend verschiedene Gerichte, die dann vom Lieferdienst Wolt an die hungrigen Besteller ausgeliefert werden. Etwas menschliche Hilfe braucht sie noch – aber eines ist garantiert: „Lady Umami“, so ihr Name, arbeitet theoretisch rund um die Uhr, ist nie krank und fährt auch nicht in den Urlaub, denn sie ist einer der ersten in Realbetrieb genommenen Kochroboboter des Unternehmens GoodBytz. In den Räumen der Beratungsagentur F&B Heroes von Jean Ploner, Uwe Plappert und Tim Plasse absolviert die Lady seit einigen Wochen ihren Praxistest. Wir durften sie besuchen:
Wer auf der Suche nach der Roboterküchen von „Lady Umami“ die Räume der F&B Heroes an der Frankfurter Galluswarte betritt, ist zunächst einmal überrascht: Hier arbeiten aber ganz schön viele Menschen! „Das liegt daran, dass wir seit einiger Zeit auch Partner des Lieferdienstes von Steffen Henssler sind“, erklärt Kevin Eyber, als Projektleiter verantwortlich für „Tasty Planet“. Unter diesem Titel erarbeiten die F&B Heroes derzeit ein Fullservice-Gesamtkonzept rund um das automatisierte Kochgerät des Herstellers GoodBytz, um es Unternehmen zur Verfügung zu stellen, die selbst nicht über gastronomische Expertise oder Kücheninfrastruktur verfügen, ihren Gästen und Kunden aber dennoch hochwertige Speisen anbieten wollen.

Kevin Eyber kam als Projektleiter für Tasty Planet zu den F&B Heroes. „Effizientere Prozesse durch Automatisierung ermöglichen mehr Fokus auf die Menschen und die Qualität der Zutaten.“

Rezepturen vom Sternekoch
Während die Mitarbeiter nach den Rezepturen des TV-Kochs unablässig Sushi rollen, erledigt der Roboter vollautomatisch die Bestellungen, die über den Lieferdienst Wolt für die B2C-Marke Lady Umami eintreffen. Ein gutes Dutzend asiatisch inspirierte Bowl-Gerichte stehen zur Auswahl – allesamt speziell von Sternekoch Alan Ogden mit hohem kulinarischen Anspruch entwickelt und auf die Bedürfnisse des Roboters zugeschnitten. „Die Synergien für den parallelen Betrieb beider Konzepte liegen auf der Hand“, sagt Eyber. „Denn natürlich brauchen wir Menschen, die die Zutaten vorbereiten und nachfüllen sowie die Abläufe im Blick haben.“
6 bis 9 Minuten pro Gericht
Direkt mit den Kunden kommunizieren kann Lady Umami nämlich noch nicht. Die Bestellungen laufen über Wolt ein und werden händisch an den Roboter übertragen, der je nach Gericht rund sechs bis neun Minuten braucht und acht Speisen gleichzeitig zubereiten kann. „Grundsätzlich ginge das auch schneller. Aber wir arbeiten mit unterschiedlichen Garstufen, um hochwertigere Ergebnisse zu erzielen“, berichtet Eyber.

Das Rezeptwissen an die B2B-Kunden weiterzugeben und darüber hinaus die perfekt vorbereiteten Zutaten zu liefern, damit diese möglichst wenig personellen Aufwand haben, ist Teil der Vertriebsidee von Tasty Planet. „Im Grunde stellen wir damit die Franchise-Prinzipien auf den Kopf: Wir übernehmen das Operative und die Prozesse, die Lizenznehmer Brand und Marketing ihrer individuellen Marke“, stellt Eyber fest.
Menschliche Nähe und Gastfreundschaft auch im Liefergeschäft
Ist das Gericht fertig, gibt der Roboter es in Papierschalen aus – und spült selbständig die verwendeten Utensilien. Ein Mitarbeiter entnimmt die Bowls, verfeinert sie mit Toppings wie Chili oder Nüssen und verpackt sie für die Abholung und Auslieferung durch Wolt. „Dabei stecken wir immer kleine Briefchen an die Kunden und Tischsets im Lady Umami-Design in die Tüten“, erzählt Kevin Eyber. „Das ist wichtig, um ein Marken-Look&Feel zu schaffen und im anonymen Liefergeschäft etwas Gastfreundschaft zu transportieren.“ Die Bewertungen auf bei Wolt geben ihm Recht: Mit 9,4 von 10 Punkten und einer hohen Wiederbestellrate ist man mehr als zufrieden.



Niedrigere Preise, bessere Margen
Trotz einiger „Kinderkrankheiten“ liefert Lady Umami kontinuierlich gleichbleibende Qualität, wie Eyber hervorhebt. „Wenn es Probleme gibt, sind meist menschliche Fehler die Ursache. Oder etwas stimmt mit der Software nicht, aber das lässt sich in der Regel leicht beheben.“ Gleichzeitig ermöglicht die Automatisierung höchste Effizienz und damit bei niedrigeren Verkaufspreisen eine operative Marge, die bis zu 33 Prozent über dem Branchenstandard liegt. Bis zu vier Mitarbeiter lassen sich durch einen Kochroboter dieses Formats einsparen, schätzt Eyber. Tim Plasse ergänzt: „Vollautonome Küchen sind in der Wirklichkeit angekommen. Wir haben mit Lady Umami ein Konzept geschaffen, das Qualität, Skalierbarkeit und Wirtschaftlichkeit vereint.“
Mit Lady Umami beweisen die F&B Heroes, dass autonomes Kochen längst keine Science-Fiction mehr ist. Die Zukunft der Gastronomie hat bereits begonnen – und sie ist vollautomatisch.
Blick hinter die Kulissen
Auf der Website und in der App von Wolt muss sich Lady Umami ohne großen Marketing-Aufwand gegen eine Vielzahl asiatischer Anbieter behaupten. Aktuell entscheiden sich täglich rund 20-30 Kunden für die Marke – in der Regel, ohne zu wissen, dass ein Roboter für sie kocht. „Wir wollen das zunächst auch gar nicht groß kommunizieren“, sagt Eyber, „um keinen kurzfristigen Hype zu erzeugen.“ Verstecken will man die Lady allerdings auch nicht und so startet demnächst eine Social Media-Kampagne, für die man Influencer einladen will, hinter die Kulissen – beziehungsweise ins Innere – von Lady Umami zu schauen und ihre Follower dabei mitzunehmen.

Lady Umami live im LIV
Live erleben können das automatisierte Kochen auch bald die Besucher des ersten „LIV“. Dahinter verbirgt sich ein innovatives Dining-Club-Konzept, das noch in diesem Jahr in Düsseldorf starten wird. Das innovative Selbstbedienungs-Restaurant-Konzept kombiniert vollautonome Küche mit exklusiver Community-Erfahrung. „Mit LIV gehen wir den nächsten Schritt und bringen das Konzept in ein physisches Restaurantformat, in dem wir hervorragend Dinge ausprobieren können’“, so Tim Plasse.
Ein Roboter kennt nur 0 und 1
Was sind seine Learnings in Sachen Automatisierung nach den ersten Wochen? „Einen Roboter kann man nicht bitten, sich zu beeilen oder die Grammaturen ein bisschen anzupassen. Er kennt nur 0 und 1, es gibt nichts dazwischen“, schmunzelt Plasse. „Andere Industrien kennen das schon lange, aber unsere Branche muss sich erst an die Interaktion mit dieser Art von Mitarbeitern gewöhnen.“ Allerdings sei es leichter, ein neues Konzept auf die vorgegebenen, begrenzten Möglichkeiten zuzuschneiden, als ein vorhandenes daran anzupassen. „Wenn mein Bestseller ein Wrap ist, stoße ich mit einem Roboter wie diesem schnell an meine Grenzen. Aber Limitierung muss ja nicht immer schlecht sein, so lange es immer noch eine große Zahl an Möglichkeiten gibt.“


GoodBytz stellte seinen Kochroboter auf der INTERNORGA vor und sorgte damit für viel Aufmerksamkeit in der Branche. Zuvor hatte bereits das Start-up Aitme seine vollautomatisierte Küche präsentiert.
Kevin Eyber ist überzeugt, dass automatisiertes Kochen gerade im Markt für hochwertige, schnelle Versorgung an Standorten mit wenig Vorhersehbarkeit des Geschäfts Zukunft hat. „Unsere Lösung punktet mit Qualität und Effizienz in einem Markt, der von einfachen und günstigen Gerichten geprägt ist. Nach dem guten Start arbeiten wir an der Verdoppelung der Bestellungen, mit der wir den Break-even erreichen. Und wer weiß? Vielleicht gibt es für Lady Umami sogar irgendwann einmal einen Michelin-Stern?“
Fotos: Goodbytz, Barbara Schindler

Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.