„Die beiden Kategorien Snack und Mahlzeit nähern sich an“, erklärte Rützler den rund 250 Teilnehmern des Kongresses. Hintergrund sind gleich mehrere Veränderungen in der mitteleuropäischen Esskultur: „Nicht nur, dass wir unregelmäßiger essen: Auch an der Struktur der Mahlzeiten selbst wird gerüttelt. Hieß es früher noch ‚3 Gänge – herzhaft – herzhaft – süß‘, werden diese Regeln heute immer häufiger hinterfragt. Auch die Hierarchie auf dem Teller – eine Leitsubstanz plus Beilagen – hat sich gewandelt.“ Aktuell machten Gemüse und Kräuter dem Fleisch zunehmend die Tellermitte streitig.
Selbst das Frühstück ist im Wandel
Nicht zuletzt ändere sich in Zeiten von immer unkomplizierteren Convenience-Produkten die Definition von Kochen. „Demnächst werden in 80 % der Haushalte nur noch eine oder zwei Personen leben. Sie kochen anders, sie kaufen anders ein als mehrköpfige Familien.“ Selbst das Frühstück als hierzulande konservativste Mahlzeit befinde sich im Wandel. „All diese Verschiebungen wirken sich darauf aus, wie wir einen Snack definieren.“
Snacks müssen heute oftmals die Rolle von Mahlzeiten übernehmen, also vor allem sättigen. „Deshalb brauchen sie ein neues Wording“, forderte Rützler, „eine neue Identität, die alte Konnotationen aufbricht.“ Sie schlägt daher einen Begriff wie „Mimas“ (Mini-Mahlzeiten) vor. Und den buchstäblichen Blick über den Tellerrand: „Gerade kommt die Levante-Küche zu uns. Sie bietet mit ihrer kulturellen Vielfalt und Mezze-Tradition zahlreiche Möglichkeiten für Snacks und Mini-Mahlzeiten.“
Weglassen als neue Esskultur?
Auch andere Trends wie der zunehmende Wunsch nach Gesundheit beeinflussen das Snack-Geschäft. „Wir nehmen Probleme wie zu viel Zucker, Fett, Salz und Zusatzstoffe durchaus wahr. Ist aber das Weglassen die neue Esskultur?“, fragte die Trend-Expertin und versicherte: „Nein, das Hinterfragen wird die neue Esskultur. Wir werden kritische Esser bleiben und anfällig für Ideologien, denn der Überfluss, in dem wir leben, stärkt die Macht des Individuums. Konsumenten nehmen sich die Freiheit, ihre eigene Essideologie zu entwickeln. Und dann schlägt Ideologie mitunter sogar den Geschmack.“ Für immer mehr Verbraucher gelte: Weniger ist mehr.
Für Gastronomen und Snack-Anbieter bedeutet das: Sie müssen sich noch mehr als bisher auf die individuellen Wünsche ihrer Gäste und Kunden einstellen. Nur wer flexibel ist, kann die stetig neuen Bedürfnisse befriedigen. „Selbst die relativ neue Spezies der Flexitarier verändert sich immer wieder.“ Und sie bekommt Gesellschaft von den ‚Klimatariern‘, die ihr Essverhalten nach ökologischen Gesichtspunkten ausrichten.
Wie sie alle als Gastgeber glücklich und zugleich ein gutes Geschäft machen? Es bleibt herausfordernd!
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.