Kerstin Rapp-Schwan macht kein Hehl daraus, dass sie als Quereinsteigerin lange kämpfen musste, bis sich der Erfolg als Gastronomin einstellte. Im Interview berichtet sie von Startschwierigkeiten und Durchhaltewillen, innerem wie äußerem Druck und plädiert für eine fundierte Ausbildung in einer Branche, die sie wegen – und manchmal auch trotz – der Menschen liebt.

Gemeinsam mit Ihrem Mann führen Sie erfolgreich in Düsseldorf fünf Restaurants. Der Weg dorthin war nicht ganz einfach. Wollten Sie immer schon Gastronomin sein?

Kerstin Rapp-Schwan: Ja und nein. Als mein Vater die Denver Steak& Seafood-Restaurants gründete und unsere Familie plötzlich nach Hamburg umzog, brauchte ich recht kurzfristig ein Schulpraktikum. Also habe ich in einem seiner Betriebe Salat geschnibbelt. Daraus wurde ein Schülerjob, später wechselte ich hinter die Theke und in den Service.

Also der klassische Werdegang eines Gastronomen-Kindes?

Kerstin Rapp-Schwan: Nicht im klassischen Sinne, da mein Vater kein waschechterGastronom war, sondern Manager, der aus der Markenartikel-Industrie kam. Ich habe zunächst bei der Bavaria Brauerei auf St. Pauli Industriekauffrau gelernt und anschließend BWL studiert, nebenbei als Werkstudentin in einer Werbeagentur und bei einer Unternehmensberatung gejobbt.

Eines Tages fragte mein Vater, ob ich Lust hätte, die Spitz-Restaurants zu übernehmen, für die Whitbread damals die Markenlizenz hielt und nicht verlängern wollte. Ich ließ mich überzeugen und war plötzlich für vier in ‚Schwan‘ umbenannte Standorte in Köln, Düsseldorf und Mainz verantwortlich. Aus heutiger Sicht Wahnsinn! Verantwortung zu tragen war zwar erstmal nicht neu – die hatte ich auch in meinen früheren Positionen schon früh übernommen. Neu war, dass ich mir das Führen von Menschen und den Respekt meiner Umwelt erst sehr mühsam erarbeiten musste.

Heimlig-traditionelle Atmosphäre und Lieblingsgerichte aus der Oma-Küche: Vier ‚Schwäne‘ führt Kerstin Rapp-Schwan gemeinsam mit ihrem Mann in Düsseldorf und Neuss. 

Warum?

Kerstin Rapp-Schwan: Es gab so vieles, auf das ich nicht ausreichend vorbereitet war. Ein Beispiel: Wir haben die Betriebe am 1. Oktober 2001 übernommen, sechs Wochen später begann mein erster Karneval – aus Hamburg kommend hatte ich keine Ahnung, was das in Köln bedeutet! Ich stand also mit elf Fässern Bier im Schwan am Alter Markt in Köln. Die waren um 11 Uhr leer. Das Team hat mich – zu Recht – überhaupt nicht ernst genommen. Es war ein Alptraum!

Mein Vater stand mir zwar immer mit Rat und Tat zur Seite, aber irgendwannwollte er sich berechtigt zurückziehen. Und er ist eben mein Vater, was diese Konstellation nichtimmer leicht gemacht hat.

Aber Sie haben durchgehalten …

Kerstin Rapp-Schwan: Das musste ich. Mein Vater hatte schließlich viel Geld in die damals gemeinsam übernommenen Restaurants und mich investiert. Schon aus diesem Grund kam Aufgeben für mich nicht in Frage. Aber ich war damals mit dem Führen von vier Restaurants in drei Städten schlicht überfordert. Wir haben den Mainzer Standort relativ bald an Christoph Wefers von der Extrablatt-Gruppe abgegeben. Übrigens einer der Menschen, die immer an mich geglaubt und mich in den ersten Jahren sehr unterstützt haben. Wenig später begann in Köln am Alter Markt der U-Bahn-Bau, wir kamen vier Monate lang nur über den Hintereingang ins Restaurant. 

Darauf angesprochen, meinte der Stadtkämmerer kühl: „Wenn Sie es nicht schaffen, schafft es Ihr Nachfolger. Das Allgemeinwohl geht vor.“ Den Satz werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Und er hatte Recht: Wir haben diesen Standort ebenfalls an Extrablatt abgegeben und die haben es geschafft.

Wie steht man sowas durch?

Kerstin Rapp-Schwan: Ich habe immer einfach ‚gemacht‘ und funktioniert. Und die Schläge rissen nicht ab: Wenige Wochen nach dem Karneval-Desaster hatte ich einen Toten im Arm, später selbst ein Messer am Hals, eine Pistole am Kopf, zig Einbrüche, Hells Angels im Laden … Aus heutiger Sicht hat mich das alles sehr stark gemacht. Aber damals fühlte es sich an, als jagte eine Ohnmacht die nächste. Hinzu kam der innerfamiliäre Druck wegen des finanziellen Engagements meines Vaters.

Mit der Umstellung des Schwan-Konzepts auf deutsche Küche kam der Erfolg. 

Haben Sie auch Druck von außen gespürt?

Kerstin Rapp-Schwan: Ja, natürlich. Mein Vater war als erfolgreicher Maredo-Chef in der Branche bekanntund alle dachten, seine Tochter macht jetzt 100 Schwäne. Das hätte ja auch passieren können, andererseits gibt das Konzept das vielleicht auch gar nicht her: Wir machen alles frisch, kochen selbst, das kann man meiner Meinung nach nicht unendlich multiplizieren. Und ich bin eben nicht Enchilada oder Alex oder Hans im Glück, obwohl es mir sehr imponiert, was diese Unternehmen leisten. Den Druck spüre ich trotzdem bis heute, auch wenn ich ihn mir größtenteils selbst mache.

Sie bezeichnen zu viel Begeisterungsfähigkeit als eine Ihrer Schwächen …

Kerstin Rapp-Schwan: Ja, weil ich mir dadurch immer noch mehr aufhalse. Als vom damaligen Stilwerk-Besitzer die Anfrage kam, ob wir die Gastronomie am Standort in Düsseldorf übernehmen könnten, habe ich gesagt: Ich mache das. Das Olives im Stilwerk lief auch sieben Jahre richtig gut: sehr hip und trendig, irgendwann aber an der Grenze, nicht mehr ‚in‘ zu sein. Als mein Bruder Axel 2008 zum Unternehmen stieß, haben wir es deshalb zu einem ‚Schwan‘ umgebaut. Nebenbei hatte ich ja auch noch zwei MoschMoschs in Düsseldorf und Köln.

Aber dann waren Sie in der Außenwahrnehmung doch erfolgreich – immerhin wurden Sie 2005 sogar als „Gastronomin des Jahres“ mit dem Herforder Preis ausgezeichnet?

Kerstin Rapp-Schwan: Das stimmt, wir hatten ja auch Erfolg. Das Olives war eigentlich ein schwieriges Objekt, kompliziert geschnitten, sehr personal- und kostenintensiv. Offensichtlich dachten die Vermieter: Die kann das, die schafft das … was ja letztlich auch stimmte, denn auch das MoschMosch in Düsseldorf lief sehr gut. Dann haben wir allerdings den Fehler gemacht, in Köln ein zweites ohne Terrasse zu eröffnen. Wir waren gerade aus dem Gröbsten raus und dann so eine Fehlentscheidung! Ich gehöre vom Blitz erschlagen, wenn ich jemals wieder ein Restaurant ohne Terrasse mache! Wir haben dann beide MoschMoschs an die Gründer Matthias Schönberger und Tobias Jäkel abgegeben.

Heute führen Sie erfolgreich vier Schwan-Restaurants und das Café Beethoven in Düsseldorf – sind Sie stolz darauf, es trotz aller Schwierigkeiten geschafft zu haben?

Kerstin Rapp-Schwan: Ja, das ist großartig! Das letzte Jahr war toll, das beste in der Unternehmensgeschichte. Manchmal muss ich allerdings einen zweiten Blick auf unsere Zahlen werfen, um selbst zu glauben, dass wir tatsächlich Geld verdienen! Mein Vater hat seine Investition inzwischen komplett zurückbekommen, das macht mich wirklich froh!

Wir haben uns den schönen Status als Traditionsrestaurant erarbeitet, müssen aber, wie alle, wachsam bleiben, damit wir nicht von jungen Formaten links und rechts überholt werden. In einem Unternehmen unserer Größenordnung ist man ständig damit beschäftigt, Feuer zu löschen und Löcher zu stopfen – die Mitarbeiterproblematik beispielsweise nervt mich gewaltig. Ich liebe diesen Job zu allererst wegen der Menschen! Manchmal könnte ich aber genau deshalb alles hinschmeißen, weil man immer wieder enttäuscht wird. Zeit, sich Gedanken um die Weiterentwicklung des Konzepts zu machen, bleibt leider auch kaum – nicht zuletzt wegen der zunehmenden politischen und rechtlichen Herausforderungen.

Würden Sie denn den gleichen Weg gehen, wenn Sie noch einmal 27 Jahre alt wären?

Kerstin Rapp-Schwan: Den gleichen sicher nicht. Wenn ich die Chance gehabt hätte, das Handwerk besser zu lernen, wäre ich sehr dankbar gewesen. Ich rate es jedem, eine fundierte Ausbildung zu absolvieren, bevor er diesen anspruchsvollen Beruf ergreift, um zu wissen, worüber er oder sie spricht. Ich habe gefühlt 10.000 Treppenstufen auf einmal genommen!

Welche Rolle spielte Ihr Zwillingsbruder Axel dabei, dass sich der Erfolg nach und nach einstellte?

Kerstin Rapp-Schwan: Als er 2008 ins Unternehmen einstieg, war ich sehr erleichtert, endlich nicht mehr allein kämpfen zu müssen. Der Relaunch des Schwan-Konzepts, den wir gemeinsam gemacht haben, war eindeutig die Grundlage für die positive Entwicklung des Unternehmens. Wir haben mit Heimat- und Oma-Küche genau aufs richtige Thema gesetzt.

Mein Bruder hat sich dann für die internationale Karriere entschieden, ist mittlerweile Global Chief Marketing Officer bei der Burger King-Schwestermarke Tim Hortons. Viel weiter nach oben kann es in der Branche für jemanden aus Deutschland wohl kaum gehen. 

Einer der Bestseller im Schwan: Das ‚Schwanitzel‘. 

Was sind ihre Pläne für die nächste Zukunft?

Kerstin Rapp-Schwan: Inzwischen führe ich die Schwäne zusammen mit meinem Mann Martin – er ist eine große Stütze. Wir ergänzen uns super! Das gemeinsame Leben und Arbeiten hat in mir den Wunsch geweckt, auch nochmal etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Durch Zufall ergab sich dann die Möglichkeit, beim Headhunter Konen & Lorenzen als Schnittstelle zur Gastronomie aktiv zu werden. Dabei profitiere ich von meinem großen Netzwerk, bringe die richtigen Menschen zusammen.

Wieder das Thema Mitarbeiter. Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen, um die Lage für die Gastronomie zu entschärfen?

Kerstin Rapp-Schwan: Ein wichtiger Punkt ist sicher die Bezahlung. Beim Mindestlohn fehlt mir aber immer auch der Begriff der Mindestleistung. Die definiert niemand. Auf der anderen Seite lege ich Wert darauf, dass diejenigen, die wirklich hart arbeiten, genügend Geld verdienen, um davon zu leben. Voraussetzung ist, dass wir die Gäste dazu motivieren, gute Produkte und schöne Erlebnisse angemessen zu honorieren. Gelingt uns das nicht, wird es ein noch größeres Sterben in der Branche geben

Ist es immer noch eine besondere Herausforderung, gleichzeitig Gastronomin und Mutter zu sein?

Kerstin Rapp-Schwan: Meine Tochter ist jetzt sieben Jahre alt und natürlich ist da immer das schlechte Gewissen, dass sie zu kurz kommen könnte. Letztendlich geht es aber nicht um die Quantität der Zeit, die man miteinander verbringt, sondern um die Qualität. Ich bin immer für meine Mitarbeiter erreichbar, aber wenn ich mit meiner Tochter zusammen bin, bleibt das Handy aus. Man muss sich gegen viele unterschiedliche Erwartungshaltungen abgrenzen. Unsere Tochter wird hoffentlich irgendwann sagen: Ja, meine Mutter hat immer viel gearbeitet. Aber ich liebe sie so, wie sie ist.

Das Interview erschien erstmals in der Juni-Ausgabe 2019 der Zeitschrift fizzz

Fotos: Unternehmen