Drei Freunde eröffnen zusammen ein Restaurant. So weit, so einigermaßen normal. Doch die Geschichte von eatDOORI ist dennoch eine besondere. Weil sie erzählt, wie es drei Quereinsteigern mit BWL-Hintergrund als ersten hierzulande gelingt, die indische Straßenküche in ein multiplizierbares Konzept zu gießen, das westliche Großstädter begeistert. Wie Bodenständigkeit und Augenmaß eine allzu forsche Expansion verhindern, die bekanntermaßen nicht selten im vorzeitigen Aus endet. Und wie neben all den operativen und organisatorischen Herausforderungen des gastronomischen Alltags unternehmerischer Mut und Experimentierlust dazu führten, dass das Projekt eatDOORI inzwischen nicht nur auf fünf Restaurants angewachsen ist, sondern bereits konzeptionelle Ableger hat, die für die Zukunft neue Potenziale erschließen.
„Die vergangenen Jahre waren wirklich aufregend“, sagt Maximilian Wolf, einer der drei Freunde, die seit dem Herbst 2015 mit ihrem urbanen Fast-Casual-Konzept mitten auf Frankfurts derzeit spannendster Gastro-Meile Kaiserstraße für viel Aufmerksamkeit bei Gästen und Branchenkollegen sorgen. Gemeinsam mit seinen früheren WG-Kumpels Kanwal Gill und Philipp Müller-Trunk tauschte er die lukrative Karriere im Finanzwesen gegen den Traum vom eigenen Restaurant ein – inspiriert von Mutter Gills indischen Kochkünsten. „Wir saßen oft in ihrer Küche und liebten die Gerichte, die sie zauberte“, erinnert er sich an die Initialzündung für eatDOORI. Irgendwann hatte einer die Idee: Warum nicht ein Restaurant mit genau solchen Speisen eröffnen?
Erfahrung und Gespür für den Gast
Dass diese Aufgabe weitaus komplexer sein würde, als sie zunächst klingt, bemerkten die drei recht schnell. Denn das vorhandene betriebswirtschaftliches Know-how ist nur ein Teil des erforderlichen Rüstzeugs für nachhaltigen Erfolg in der Branche. „Gastronomische Erfahrung und Gespür für den Gast sind eindeutig noch wichtiger!“, betonen sie unisono. Also begaben sie sich erst einmal auf Indien-Reise, sammelten Wissen über die regionalen kulinarischen Eigenheiten des Subkontinents, jobbten in der Gastronomie und bastelten parallel rund ein Jahr lang an einem professionellen, multiplikationsfähigen Konzept.
Ihre enge Freundschaft half dabei ebenso wie die verschiedenen Persönlichkeiten samt unterschiedlichen Stärken und Schwächen, die eine klare Aufgabenverteilung ermöglichen: „Als Gründerkonstellation ergänzen wir uns ziemlich gut“, erklärt Wolf. „Während Philipp und ich uns im Hintergrund um die Prozesse, Verwaltung und das Marketing kümmern, steht Kanwal als Gastgeber an der Front, ist für viele Gäste das Gesicht von eatDOORI.“ Auf den Pilotstandort in der Kaiserstraße folgte bald ein weiteres Restaurant in Frankfurt, kurz darauf jeweils einen Standort in Mainz und Köln.
Zweikonzept Kokumy
Seit dem Frühsommer 2019 ist die Marke außerdem mit einem kompakten, Take-away-starken Deli-Format in der neuen Gastro-Welt Foodtopia im Frankfurter Einkaufszentrum MyZeil vertreten – von der Line Extension versprechen sich die Gastronomen zusätzliche Möglichkeiten an Hochfrequenzstandorten. Seit November gehört darüber hinaus das Zweitkonzept Kokumy zum Portfolio: Hier – direkt neben dem ersten eatDOORI – kommt asiatische Fusion-Küche zum Teilen auf den Tisch. „Ein zweites Standbein kann nicht schaden“, kommentiert Kanwal Gill. 2019 peilen die Unternehmer einen Gesamtumsatz im mittleren einstelligen Millionenbereich an.
Warum ist eatDOORI – der Name kombiniert die Worte „Eatery“ und „Tandoori“ – so anders als andere indische Restaurants, von denen es in deutschen Städten schließlich gar nicht so wenige gibt? „Es geht um Authentizität und gleichzeitig darum, diese für viele Menschen in Europa immer noch unbekannte Küche verständlich zu machen“, erläutert Kanwal Gill. Wichtiger Faktor: ein Ambiente, das die Marke richtig repräsentiert, jenseits von Folklore und Bollywood-Kitsch, großstädtisch-zeitgemäß mit rohen Backsteinen, Holzpaletten und nackten Glühbirnen, in dem das Indische behutsam in Details wie Neon-Schriftzügen auf Hindi zitiert wird. „Wir nehmen unsere Gäste auf einen Kurztrip nach Indien – jedes Restaurant erzählt mit ausgewählten Elementen die Geschichte einer bestimmten Region oder eines Orts in Indien.“
Straßenküche von Delhi bis Mumbai
Auf der Speisekarte steht konsequent die Straßenküche von Delhi bis Mumbai im Fokus – in Form von Currys, Salaten, Pav (kleine Burger) und Signature Dishes wie Holy Paneer, Chicken Tikka und Ginger Lime Prawns. Dazu Naanwiches (Sandwiches aus Naanbrot), Bombay Potatoes und Masala Fries. Dank zahlreicher Möglichkeiten, die Gerichte zu individualisieren und einer überdurchschnittlich großen Auswahl für Vegetarier trifft das Angebot bei aller Verwurzelung in der indischen Tradition den Nerv des westlich-urbanen Publikums und passt mit Preisen zwischen 8 und 15 € für ein Hauptgericht zu vielen Geldbeuteln.
Mit der stetigen Arbeit an Konzept, Prozessen und Rezepturen, der Führung von knapp 100 Mitarbeitern, mindestens einmal wöchentlichen Vor-Ort-Besuchen in den allesamt in Eigenregie geführten Restaurants und den alltäglichen Herausforderungen des operativen Betriebs sind die drei Freunde jederzeit gut ausgelastet. Viel Unterstützung kommt nach wie vor von Kanwals Mutter und aus der indischen Community, in der die Familie Gill verwurzelt ist – „aus ihr rekrutieren wir sowohl Mitarbeiter als auch Gäste“, berichten die Gastronomen. „Sie freuen sich, dass ihre Kultur bei uns repräsentiert wird und auf so viel Zuspruch stößt.“
Bauchgefühl entscheidet
Bei aller Freundschaft bezeichnen sich Wolf, Gill und Müller-Trunk als „sehr diskussionsfreudig.“ Mit klar verteilten Rollen: „Ich bin der Bedenkenträger, lege sehr viel Wert darauf, dass die Zahlen stimmen“, verrät Maximilian Wolf, „aber bei wichtigen Beschlüssen ist das Abwägen von Für und Wider eben essentiell, um riskante Schnellschüsse zu vermeiden.“ Am Ende entscheidet dennoch oft das Bauchgefühl. Vor allem in puncto Standortfragen besteht das Trio auf Einstimmigkeit. „Wir haben schon viele Locations abgesagt, die auf den ersten Blick attraktiv waren, weil wir uns dort letztendlich nicht gesehen haben oder die Kosten, bis das erste Gericht auf dem Teller landet, nicht kalkulierbar erschienen.“
Also wächst eatDOORI vergleichsweise gemächlich. An einem Mangel an Angeboten liegt es nicht: Aus der Vielzahl von Offerten kommen jedoch nur solche in Städten mit mehr als 400.000 Einwohnern in Frage, in denen Kaufkraft und demographische Daten zum Konzept passen und auch die Mikrolage gute Bedingungen bereithält.
Potenziale an Hochfrequenzstandorten
Franchising ist im Moment kein Thema: „Wir sind überzeugt davon, im deutschen Markt in Eigenregie zu wachsen – für das Ausland wir aber offen für Gespräche“, sagt Maximilian Wolf. „Wir sehen in den nächsten Jahren 25 bis 30 große Fullservice-eatDOORIs in Deutschland. Das Deli-Format wird uns darüber hinaus bestimmt weitere Potenziale an Hochfrequenzlagen eröffnen.“
Hat der Erfolg von eatDOORI, 2017 mit dem Leaders Club Award ausgezeichnet, einen Boom der indischen Küche in Deutschland ausgelöst? „Glücklicherweise sind wir mit unserer Positionierung zwischen traditionellem Fullservice und den Fast-Food-Konzepten in Food Courts relativ schwer zu kopieren. Aber wir bemerken tatsächlich, dass indische Gastronomen sich zunehmend bemühen, sich moderner zu präsentieren. Diese Entwicklung verläuft analog zur asiatischen Gastronomie vor rund zehn Jahren. Diesbezüglich sind wir sicher die Speerspitze gewesen – und möchten das auch bleiben“, sagt Müller-Trunk. Letztendlich belebe Konkurrenz das Geschäft. „Und erhöht die Akzeptanz für indisches Essen allgemein.“ Wie breitentauglich die Kulinarik des Subkontinents in westlichen Metropolen tatsächlich ist, lässt sich unter anderem in London feststellen: „Dort passiert in dieser Hinsicht gerade so viel, dass wir gar nicht bis nach Indien reisen müssen, um zukunftsorientierte Konzepte zu sehen und Inspirationen zu sammeln“, bestätigt Gill.
Direktes Feedback macht Freude
Die Faszination Gastronomie – sie lässt die drei Quereinsteiger nicht mehr los: „Ich liebe die Komplexität und die vielfältigen Herausforderungen der Branche. Es reicht eben nicht, einen Laden einzurichten und loszulegen, um mit einem Restaurant erfolgreich zu sein. Im Gegenteil: Es steckt so viel mehr dahinter“, schwärmt Wolf. Auch wenn alle drei auf die damit verbundene Bürokratie und ihre Fallstricke gerne verzichten könnten. „Schön ist dagegen das direkte Feedback, das man von den Gästen bekommt“, sagt Philipp Müller-Trunk. Mitten im Trubel ihrer Restaurants fühlen sie sich am wohlsten: „Neulich mussten wir im Kokumy alle drei hinter der Bar und im Service mit anpacken – ein Riesenspaß! Wie in alten Zeiten!“
Diese Begeisterung und ihre Freundschaft – obwohl anders als früher – erwiesen sich in den vergangenen Jahren als wichtiges und tragfähiges Fundament für den Erfolg von eatDOORI. „Klar verändert sich eine Beziehung, wenn man zu Geschäftspartnern wird. Heute führen auch mal ernste Gespräche miteinander“, berichtet Maximilian Wolf, „und manche Meinungsverschiedenheiten können wir jetzt nicht mehr weglächeln. Grundsätzlich hat sich unser Verhältnis zueinander durch die Unternehmensgründung aber sehr positiv entwickelt.“ Die im Team durchgestandenen Auf und Abs haben die drei zusammengeschweißt. „Erfolge miteinander zu feiern, ist schön und einfach. Aber gerade die Zeiten, in denen es mal nicht so gut läuft, man im selben Boot sitzt und Lösungen finden muss, heben die Freundschaft auf eine intensivere Ebene.“ Eine Freundschaft, die schon vor eatDOORI beim gemeinsam erlebten Essen und Trinken in der Gastronomie gewachsen ist. „Das Tolle ist: Heute sitzen wir dabei in unserem eigenen Laden“, sagt Kanwal Gill: „und das ist einfach ein einzigartiges Gefühl!“
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.