Craft Beer, Craft Spirits, Craft Pizza … die neue Handwerklichkeit verpasst immer mehr altvertrauten Produktgruppen einen Boost: kreative Rezepturen, Originalität und Authentizität heben längst bekannte Sortimente auf eine neue Qualitätsstufe jenseits der oftmals verpönten industriellen Fertigung. Nun hat die Craft-Welle auch die gute alte Nudel erfasst: Was Vapiano im Grunde seit 2002 vormacht, inspiriert heute Gründer zu innovativen Gastro-Konzepten rund um handgemachte Pasta. Und während der Fast-Casual-Pionier auf der Suche nach vergangener Coolness in der Krise befindet, punkten die Startups mit Qualität, Leidenschaft und Persönlichkeit. Wir stellen drei Beispiele vor.
„Man schmeckt es einfach, wenn Pasta mit Liebe gemacht wird“, ist Johanna Aust überzeugt. Seit Dezember betreibt sie in Hamburg-Eppendorf gemeinsam mit Monica Dametto und Vanessa Kränicke die Nudelmanufaktur Damettto – mit drei t, schließlich sind es drei Gründerinnen und ‚tre amiche‘. Das Konzept oszilliert zwischen Bistro am Mittag, Event Space und Supper Club am Abend, Produktionsküche und Geschmackslabor, Laden und Nachbarschaftstreffpunkt. „Wir verstehen uns weniger als Restaurant, denn als Ort, wo Menschen zusammen kommen, um beste Pasta zu genießen und gemeinsam eine gute Zeit zu haben“, sagt Johanna Aust.
Fotos: Damettto
Handwerk als Basis
Was ist das Besondere an den Damettto-Nudeln? „Zum einen, dass wir sie täglich frisch produzieren“, erklärt Johanna, „und zwar nur aus original sizilianischem Hartweizen, der nicht nur garantiert glyphosatfrei erzeugt wird, sondern auch sehr mineralstoffreich ist, da es sich um eine alte Sorte handelt. Und wir verwenden nur Eier von glücklichen Hühnern, kein Vollei!“ Um die traditionelle Pasta-Herstellung zu lernen, reiste Monica extra nach Bologna – den Bauch Italiens. „Dieses alte Handwerk ist die Basis, ausgefallene Zutaten wie
Ab mittags stehen Johanna und Monica – Vanessa hat nicht nur ein Startup, sondern gleichzeitig auch eine Familie gegründet, die zurzeit Vorrang hat – also in ihrem gemütlichen Laden in der Erikastraße und machen Nudeln. 3-4 wechselnde Sorten stehen – je nach Saison und Kundenwunsch – täglich auf der Speisekarte. Ein Restaurantbetrieb war zunächst gar nicht unbedingt geplant. „Aber inzwischen kommen jeden Mittag ein paar Leute zum Lunch“, erzählt Johanna. „Denen servieren wir natürlich gerne unsere aktuellen Gerichte.“
Schwerpunkt Gastronomie
Auch die Käufer vom benachbarten Wochenmarkt und die Kunden anderer Feinkostgeschäfte in der Umgebung haben Damettto bereits entdeckt. Sie kaufen die frischen Nudeln als gekühlte Handelsware zum Preis von 2,10 € pro 150 g. „Das Publikum in Hamburg-Eppendorf gibt gerne Geld für Qualität bei Lebensmitteln aus“, freuen sich die Unternehmerinnen. Auf Vorbestellung (Mindestmenge 1 kg) gibt es die Wunschnudeln zu Preisen zwischen 10 und 15 € pro Kilo. Ergänzend stehen auch italienische Delikatessen wie Olivenöl, Wein und Pesti zur Auswahl.
Noch macht der gastronomische Teil des Geschäfts rund 90 % der Erlöse aus. Dafür sorgen kreative Konzepte wie der Pasta Lunch, den die Gründerinnen vor Ort in Unternehmen für die Mitarbeiter kochen, oder Pasta Workshops im Bistro. Hier finden auch regelmäßig Pasta Dinner statt, bei denen bis zu 15 Gäste an einer langen Tafel mit verschiedenen Nudelgerichten, Wein und Brot verwöhnt werden. Bei Events mit Stehtischen reicht die Kapazität des Bistros für bis zu 40 Personen. „Zu uns kommen die verschiedensten Leute“, freut sich Monica. „Vom Freundeskreis über Junggesellenabschiede bis hin zu Senioren.“ Manch einen macht die im Fenster platzierte Nudelmaschine neugierig. „Auch die ersten Presseberichte sorgen inzwischen für immer mehr Frequenz.“
Bedarf bei Gastronomen
Und schon denken die drei Freundinnen über weitere Aktionsfelder nach: „Street Food Festivals, eventuell mit einem eigenen Truck sind natürlich interessant. Und wir spüren einen Bedarf nach frischer Pasta bei anderen Gastronomen, die aus Personalmangel notgedrungen auf Trockenware zurück greifen. Hier können wir abhelfen.“ Expansion? Nicht ausgeschlossen. „Das gute an der Nudel ist, dass man sie nicht erklären muss. Jeder kennt und die meisten mögen sie – das gilt für Groß-ebenso wie für Kleinstädte“, so Johanna.
Rund drei Monate nach dem geglückten Start sind die Gründerinnen aber erst einmal glücklich mit ihrem ersten Damettto und der Entscheidung, sich ganz der Lust am Nudelmachen zu widmen: „Pasta ist einfach wie eine weiße Leinwand, man kann alles damit machen“, schwärmt Johanna. Wichtig ist ihr jedoch, dass man mit Leidenschaft dbei sein sollte. „Geht die verloren, kann man auch keine guten Nudeln mehr machen.“
Pasta – was sonst?
Pastamacher mit Liebe und Leidenschaft ist auch Sandro D’Angelo. Unweit der Flaniermeile Schweizer Straße in Frankfurt-Sachenhausen betreibt er seit 2015 sein ‚Ma Pasta‘ (wörtlich: Aber Pasta! Oder auch: „Pasta – was denn sonst?“). Das kleine Restaurant bietet rund 20 Sitzplätze. Herzstück ist die Nudelmaschine, aus der den ganzen Tag lang Fusilli, Rigatoni, Tagliatelle und Spaghetti purzeln – selbstredend ohne künstlicher Zusatzstoffe. Der Gast wählt eine Nudelsorte – gegen einen kleinen Aufpreis von 0,50 € sind auch grüne Spinat-Tagliatelle, mit Sepia schwarz gefärbte oder Dinkel-Pasta erhältlich – und kombiniert sie ganz nach Wunsch mit einer Sauce und Toppings.
Das Spektrum reicht von einfach-guter Tomatensauce über selbstgemachtes (Trüffel-)Pesto bis hin zu Chorizo, Lachs und Gamberetti. Richtig kreativ werden D’Angelo und sein Team bei den Gerichten auf der Wochenkarte: Hier treffen Rigatoni schon mal auf Heidelbeeren in Ziegenfrischkäse-Sauce mit Walnuss und Honig oder Fusilli auf Kichererbsen-Chili-Pesto.
Fotos: Barbara Schindler
Hausgemachte Limonaden
Alle Gerichte, darunter auch Salate und selbst gemachtes Tiramisù, gibt es zum Mitnehmen, wovon die Stammkundschaft aus der Nachbarschaft gerne Gebrauch macht. Keine Speise schlägt mir mehr als 11,95 € zu Buche, allerdings lassen sich die vorkomponierten Rezepturen nach Wunsch mit zusätzlichen Zutaten ergänzen: Parmesan (gerieben) kostet 0,50 € extra, Mozzarella 1,90 €und für Scampi oder Rindfleisch werden 3,25 € fällig. Getränkeseitig punktet das Konzept mit ebenfalls hausgemachten Limonaden, unter anderem als Beeren-Minz-Variante oder mit frischer Zitrone (à 3,90-4,50 €).
Pasta Revolution in London
Und auch in Europas Gastro-Hauptstadt London machen immer mehr Casual-Dining- und Fast-Casual-Pasta-Konzepte von sich reden: So eröffnete Emilia’s in diesen Tagen seinen zweiten Londoner Standort am Aldgate. Gründer Andrew Macleod ging 2016 mit seinem ersten Restaurant am St. Katharine’s Dock an den Start und serviert hier in rustikalem Ambiente von der italienischen Region Emilia Romagna inspirierte Nudeln, die vor den Augen der Gäste zubereitet werden. „Während meines Mathematik-Studiums reiste ich durch Italien“, erzählt der Gastronom, „und war fasziniert vom Handwerk der Nudelzubereitung und der Vielfalt ihrer Formen.“
Jeder Nudelmacher habe seinen eigenen Rezepte und Eigenheiten, betont Macleod. „Deshalb ist es wirklich ein Handwerk. Und die Kombination von Pasta und Saucen ist buchstäblich eine Wissenschaft.“ Mit Emilia’s will er authentische Trattoria-Atmosphäre nach London bringen. „Dazu gehören sorgfältig ausgesuchte frische und nachhaltig erzeugte Zutaten ebenso wie eine Verantwortung für die Umwelt.“
Kleine, aber feine Karte
Die Speisekarte ist klein, aber fein: Sieben Pasta-Gerichte sind im Angebot, darunter hausgemachte Walnuss-Champignon-Sauce, 4 Stunden gekochte Bolognese und Tunfisch-Tomaten-Sauce. Sie können ganz nach Wunsch mit am Counter produzierten Rigatoni, Casarecce oder Kartoffelgnocchi kombiniert werden. Auch Papardelle, Ravioli und Bucatini stehen zur Wahl.
Das Preisband für Hauptgerichte reicht von 10 bis 14 Pfund. „Pro Restaurant produzieren und verkaufen wir täglich zwischen 20 und 30 kg frischer und frischgetrockneter Pasta“, verrät Andrew Macleod.
Andrew Macleod hat mit seinem Restaurant Emilia’s die neue Pasta-Welle in London losgetreten. Sein Ziel: die besten Nudeln der Stadt zu machen. Foto: Emilia’s.
Bei Emilia’s wird die Pasta nach traditionellen italienischen Rezepten hergestellt. Foto: Emilia’s
20-30 kg täglich
Das Preisband für Hauptgerichte reicht von 10 bis 14 Pfund. „Pro Restaurant produzieren und verkaufen wir täglich zwischen 20 und 30 kg frischer und frischgetrockneter Pasta“, verrät Andrew Macleod.
Mit 55 Innen- und 24 Außenplätzen ist das neue Restaurant etwas größer als das erste und bietet eine erweiterte, über Pasta hinausreichende Speisekarte mit wechselnden Aktionsgerichten. Geplant sind außerdem ‚Pasta Masterclasses‘
Gutes Brot, italienische Antipasti und Olivenöl gehören zur Pasta einfach dazu. Foto: Emilia’s
„Emilia’s erinnert uns daran, dass so ein simples Gericht wie Pasta ausgesprochen exquisit sein kann, wenn es mit Liebe und Sorgfalt zubereitet wird“, kommentierte das Magazin Time Out zur Eröffnung des ersten Restaurants. Und Metro jubelte: „Die Speisekarte wurde mit fast wissenschaftlicher Präzision komponiert.“ Der Blog Hot-dinners.com sieht mit ähnlichen Konzepten wie Lina Stores, Padella und Bancone bereits eine neue Pasta-Revolution durch London rollen. Ihnen allen gemeinsam sind frische, einfache, aber mit viel Liebe und Leidenschaft kreierte Lieblingsgerichte zu fairen Preisen.
Die beste Pasta der Stadt
Auch Andrew Macleod sieht handgemachte Pasta als neues Londoner In-Produkt: „Mit Emilia waren wir bei den ersten, die diese ‚Revolution‘ losgetreten haben. Jetzt geht es darum, immer mehr Menschen von handwerklichen Nudeln zu begeistern!“ Weitere Standorte plant er momentan allerdings nicht: „Wir haben gerade erst in Aldgate eröffnet und denken noch nicht weiter. Wichtig ist uns, dass die Gäste und als bestes und leidenschaftlichstes Pasta-Restaurant der Stadt wahrnehmen.“
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.
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