Er ist offiziell Frankfurts bester Italiener: Koch und Gastronom Carmelo Greco beweist in seinem gleichnamigen Restaurant in Sachsenhausen seit zehn Jahren, dass italienische Küche mehr zu bieten hat als Pizza, Pasta und Parmaschinken. Seine Philosophie, traditionelle italienische Gerichte zu verfeinern und neu zu interpretieren, hat ihm bereits einen Stern sowie zahlreiche Auszeichnungen eingebracht. Nun zelebiert er in einem exklusiven Jubiläumsmenü seine beliebtesten Klassiker, darunter Carne su Carne, eine Variante der traditionellen Gerichte Carpaccio und Carne Cruda oder Steinbutt à La Pic. Wir haben mit ihm gesprochen, wie sich die Fine Dining-Szene der Stadt in den vergangenen Jahren verändert hat und warum es nach wie vor wichtig für ihn ist, einen Michelin-Stern zu haben.  

Carmelo Greco

Herr Greco, herzlichen Glückwunsch zu zehn Jahren Restaurant Carmelo Greco. Hätten Sie 2010 gedacht, dass es so gut und lange laufen würde?

Carmelo Greco: Ja, ich habe immer an diesen etwas ungewöhnlichen Standort im Erdgeschoss eines Wohnhochhauses geglaubt. Ich kannte die Location schon, hatte ja vorher 20 Jahre lang in Rödelheim gekocht. Und ich mochte sie immer schon! Hier haben wir einen Parkplatz, eine Terrasse, es passt gut zu uns. 

Hat sich ihr Konzept seit 2010 verändert?

Carmelo Greco: Nicht grundlegend, aber wir konzentrieren uns heute darauf, weniger noch besser zu machen – und das mit nur noch drei Leuten in der Küche statt früher sechs. 

Wie hat sich das Fine Dining in Frankfurt in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Was ist heute anders in Bezug auf Gästeverhalten und -ansprüche oder den Wettbewerb?

Carmelo Greco: Die Gäste sind gemeinsam mit uns erwachsen geworden – gastronomisch gesehen. Früher hatten wir oft Schwierigkeiten, die Produkte aus Italien zu bekommen. Manchmal gab es nur eine Lieferung pro Woche oder jede zweite Woche. Heute werden wir jeden Tag beliefert. Das registrieren unsere Gäste und sie schätzen es sehr. Gleichzeitig steigen natürlich die Ansprüche und die Wissbegier über Wein und Speisen aus Italien. Für uns ist das eine wunderbare Motivation, uns weiterzuentwickeln. 

Carmelo Greco

Sie selbst verzichten seit der Neugestaltung Ihres Restaurants auf die weißen Tischdecken …. Zeichen für eine neue Lockerheit der Sterneküche?

Carmelo Greco: Das hatte ich schon länger vor. Ich liebe Tischdecken, aber manchmal braucht man eine Veränderung. Unsere neuen Tische haben sehr elegante Holzoberflächen, die ich gerne zeigen möchte. Mit gefällt es so sehr gut. 

Auch unsere Gäste bevorzugen heute weniger Steifheit beim Essen. Es darf heute nicht mehr zu perfekt und zu elegant sein. Die Leute wollen sich wohlfühlen, auch und gerade dann, wenn sie große Menüs und teure Weine bestellen. Es geht darum, ihnen das Gefühl zu geben, dass sie bei uns zu Hause sind. 

Die Gäste kommen ja selbst immer häufiger ohne Krawatte … 

Carmelo Greco: Ja, genau, auch Turnschuhe sehen wir inzwischen oft. Die Zeiten, in denen man zum extra Frisör ging, bevor man zu uns kam, sind vorbei. Natürlich gibt es immer noch die besonderen Abende, für die man sich schick macht. Aber es ist kein Muss mehr. 

Carmelo Greco

Worauf kommt es heute an, um erfolgreich Sterneküche zu machen?

Carmelo Greco: Ganz wichtig ist die konstante Qualität, egal, ob man wenige Gäste hat oder der Laden voll ist. Das Team muss mitspielen. Das mittags und abends sicherzustellen, ist nicht einfach. Für mich ist es auch entscheidend, dass ich immer im Restaurant präsent bin. Und dass man liebt, was man tut. Das ist das Geheimnis.

Beeinflussen Sie die großen Trends der Kochszene: Regionalität, Saisonalität usw., heute mehr als früher? 

Carmelo Greco: Saisonalität war uns eigentlich schon immer sehr wichtig. Unser Vorteil ist, dass jede italienische Region ihre eigene Küchenkultur hat. 

Dadurch können wir gut variieren: Im Frühling kochen wir beispielsweise sizilianisch oder ligurisch. Im Herbst wie im Piemont oder der Toskana. Dadurch bieten wir unseren Gästen viel Abwechslung und bleiben trotzdem der italienischen Küche und ihren lokalen Eigenheiten treu.

Gibt es inzwischen mehr Veganer unter den Gästen? Kochen Sie planzenbasierter als früher?

Carmelo Greco: Wenn Veganer zu uns kommen, sagen sie uns heute mindestens zwei Tage vorher Bescheid, dass sie rein pflanzlich essen wollen. Darüber bin ich sehr froh. Wenn wir das rechtzeitig wissen, ist alles möglich. Aber vegan kochen wir relativ selten, der Anteil der Vegetarier ist deutlich höher. 

Hat Sie Corona sehr beeinträchtigt?

Carmelo Greco: Ja, das war ein schwerer Schlag. Wir brauchten einen Plan B: Was machen wir, wenn wir wieder öffnen dürfen, aber die Welt „geschlossen“ bleibt? Gut 50 Prozent unserer Gäste kommen nicht aus Frankfurt. Das müssen wir mit dem lokalen Publikum ausgleichen, sprich: neue Gäste aus Frankfurt ansprechen. Wir haben die Preise etwas gesenkt, eine neue Karte konzipiert und einiges mehr. Aber: Als wir wieder eröffnet haben, war hier die Hölle los, drei Wochen lang ausgebucht! Gefühlt war ganz Frankfurt bei uns, die Leute wollten unbedingt wieder ausgehen, hatten keine Angst. Da sind wir schnell zum normalen Programm zurückgekehrt. Sollte es aber nochmal zu einem Lockdown kommen, dann weiß ich nicht, wie die Gäste reagieren … dann wird es richtig schwierig.

Carmelo Greco

Sollte Corona nicht dazwischen kommen, was wir nicht hoffen, können Sie sich weitere zehn Jahre in Sachsenhausen vorstellen?

Carmelo Greco: So lange die Gäste uns hier unterstützen, werden wir natürlich bleiben. Ich fühle mich sehr wohl hier. Gutes Essen und Getränke sind immer gefragt. Neue Projekte – vielleicht. Aber ich muss wie gesagt im Ristorante präsent sein.

Was charakterisiert Frankfurt als Standort für Fine-Dining-Restaurants aus Ihrer Sicht?

Carmelo Greco: Als italienisches Restaurant haben wir hier einen Vorteil, es gibt nichts Vergleichbares auf diesem Niveau in der Stadt. Aber natürlich stehen wir mit anderen Küchen im Wettbewerb, jedes neue Sternerestaurant zieht Gäste an, die an dem Abend eben nicht bei mir sind. Früher gab es nur 2-3 Sternerestaurants, heute sind es deutlich mehr, darunter sogar 2-Sterne-Häuser. Andererseits ist das gut für den Ruf der Stadt als Destination für gehobene Küche. Es gibt in Frankfurt übrigens auch jenseits der Sternegastronomie hervorragende Restaurants, in die ich selbst gerne gehe.

Wie wichtig ist denn der Stern für die Gäste? Reicht es nicht, zu wissen: Hier bekomme ich tolles Essen?

Carmelo Greco: Für uns ist der Stern nach wie vor sehr wichtig, da wir nicht in der Stadtmitte sind. Um die Frankfurter und noch mehr das internationale Publikum über den Main nach Sachsenhausen zu locken, ist der Stern ein Aushängeschild und ein Magnet.   

Carmelo Greco

Der im Piemont aufgewachsene Carmelo Greco war schon als Kind fasziniert von der Welt des Kochens. Nach Lehrjahren im legendären Zwei-Sterne-Restaurant „Da Guido“ in Costigliole d’Asti kam Greco Anfang der 90er Jahre nach Deutschland und bewies, dass italienische Küche mehr zu bieten hat als Pizza Quattro Stagioni und Spaghetti Bolognese. Siebzehn Jahre lang hielt er einen Michelin- Stern, bevor er im November 2010 sein eigenes Restaurant „Carmelo Greco“ in Frankfurt eröffnete, das seit 2011 ebenfalls „besternt“ ist.

Die Corona-Zeit nutzte der Gastronom für einen Relaunch seines Restaurants. Neben neuen Möbeln und zusätzlichen Sicherheits- und Hygiene-Maßnahmen gibt es ab sofort die meisten Gerichte auch zum Mitnehmen. „Durch eine kleine Umbaumaßnahme ist es unseren Gästen nun möglich, auch tagsüber für einen guten Espresso, einen Aperitivo oder ein Stück Focaccia vorbeizukommen. Wie auch in Italien üblich, gibt es diese Kleinigkeiten im Stehen oder im Vorbeigehen. Wir hoffen, dass wir unseren Gästen dadurch ein Stück weit entgegenkommen und Hemmungen vor unserem ‚Sternetempel‘ nehmen können“, erklärt Greco.