Foto: Hamburg Messe/Thomas Fedra
Ihre Branchenanalysen sind nach wie vor einzigartig und unverzichtbar für jedes erfolgreiche Foodservice-Unternehmen: Gretel Weiß, langjährige Chefredakteurin und Herausgeberin der Fachzeitschriften foodservice und FoodService Europe & Middle East, stellte beim 38. Internationalen Foodservice Forum am Vortag der Internorga in Hamburg ihre berühmten ‚Top 100‘ vor: Das Ranking der umsatzstärksten Foodservice-Unternehmen Deutschlands wurde begleitet von aktuellen Trends und Treibern, die die Branche derzeit bewegen. Außerdem: Viel Lernstoff für 2019+, darunter der Kernsatz: „Der Fokus wandert von Food zu Service!“
Der analytische Rundumschlag umfasste nicht nur die letztjährigen Wachstumsraten der Top-Performer, sondern auch die großen Herausforderungen und Potenziale, die der deutsche Außer-Haus-Markt seinen Akteuren im vergangenen Jahr bot. Vorneweg: „2018 war hyper-dynamisch, ein richtig gutes Jahr!“ Mit 5,3 Prozent Umsatzplus auf rund 14,53 Mrd. Euro konnten die Top-100-Gastronomen in Deutschland einen der besten Werte seit der Jahrtausendwende erzielen.
Seit 2010 sind die privaten Ausgaben der Verbraucher für das Essen außer Haus um 25 % gestiegen, verwies Weiß auf Zahlen der npdgroup Nürnberg. „Das Wachstum stammt praktisch vollständig aus höheren Eater Checks.
McDonald’s is back
Die deutschen Top 10 der Gastronomie werden von global agierenden Unternehmen dominiert. Allen voran McDonald’s, nach der kurzen Krise Mitte der Dekade wieder bärenstark mit einem Plus von geschätzt 6,6 Prozent, das vor allem aus der Implementierung des neuen Konzepts des ‚Restaurants der Zukunft‘ resultiert: Mit digitalen Bestellmöglichkeiten, einem neuen Made-for-Me-Küchenkonzept und sogar Table Service fasziniert die Marke erneut ihre Gäste. „Die Evolution der einstigen Revolution“, kommentierte Weiß. Bei geschätzten Erlösen von 3,4 Mrd. Euro entfällt ein gutes Fünftel aller Umsätze der Top 100 auf den Marktführer mit seinen in Deutschland zurzeit knapp 1.500 Restaurants.
Quellen: foodservice/npdgroup Deutschland
Neu in den Top 10: Der Schweizer Valora-Konzern mit seinen Foodservice-Marken Backwerk, Ditsch und Brezelkönig. „Backwaren-Snacks und Kaffee – zwei der margenstärksten Sortimente!“, hob Weiß hervor. Längst ist das Unternehmen außerdem der mit Abstand größte Mieter der Deutschen Bahn.
Deutschland ist attraktiver Markt
Seit 2008 sind die gemeinsamen Umsätze der Spitzengruppe Weiß zufolge um rund 20 Prozent auf knapp 7,5 Mrd. Euro gestiegen und machen damit mehr als die Hälfte der Gesamterlöse der Top 100 aus. Die Schwergewichte aus Quickservice- und Verkehrsgastronomie stehen zusammen sogar für rund vier Fünftel der Erlöse der Top 100. Was für eine Marktmacht! „Das ist das typische Bild in stark industrialisierten Ländern mit einer hochmobilen, zeitknappen Bevölkerung.“
Die Vermieter an Verkehrsstandorten wünschten sich zunehmend Multi-Konzept-Player mit einem Markenportfolio von ultra-global bis mikro-lokal. „Die drei großen Verkehrsgastronomen SSP, Elior und Autogrill engagieren sich stark in Deutschland. Sie begreifen unser Land als attraktiven Markt.“ Seit 2018 ist die Deutsche Bahn selbst ein Mitspieler in der Bahnhofsgastronomie: Das gemeinsam mit dem Münchner Unternehmen Rubenbauer gegründete Joint Venture Station Food startete aufmerksamkeitsstark mit dem ersten deutschen Pret A Manger-Outlet im neuen Food Court des Hauptbahnhofs in Berlin.
Quelle: foodservice
Und Fullservice? Die Kategorie legte mit +6 Prozent zum Vorjahr die beste Runde von allen hin. „Die Zahl zeigt, dass Fullservice neue Perspektiven hat, wenn der Service schneller, effizienter und dadurch kostengünstiger wird.“ Beste Beispiele: Die Wachstumsstars L’Osteria und die beiden Better-Burger-Marken Hans im Glück und Peter Pane, die 2018 ihre langjährigen juristischen Auseinandersetzungen endlich beilegten. Sie alle drei gehorchen der Fast-Casual-Formel frisch, schnell, schön – und das im Fullservice-Format.
Der Leader in der Freizeitkategorie heißt erneut Enchilada mit seinem gelernten Portfolio an getränkestarken Marken und einem Plus von 11,6 Prozent. „Das Wachstum kommt vor allem von den neuen, zeitgeistigen Konzepten Wilma Wunder und Burgerheart“, merkte Weiß an. Auf den folgenden Plätzen der Europa-Park in Rust, Deutschlands umsatzstärkster gastronomischer Einzelstandort, mit 4,7 Prozent plus. Vom heißen Sommer und schwachen Filmen ins Minus katapultiert wurde dagegen das Segment der Kinogastronomie.
Quelle: foodservice
Bestseller auf Premium-Niveau
Den Hintergrund für das Erfolgsjahr der deutschen Gastronomie bildeten exzellente volkswirtschaftliche Rahmenbedingungen, Binnentourismus auf Rekordniveau, ein Jahrhundertsommer, aber auch ein extrem angespannter Arbeitsmarkt und eine vergeigte Fußball-WM. Foodseitig wurden die Rezepturen kulinarisch anspruchsvoller: Mengenbestseller werden zunehmend auf Premium-Niveau nachgefragt. Vor allem die pflanzliche Küche sieht Weiß auf dem Vormarsch. „Dennoch wollen die meisten Menschen nicht vom Fleisch lassen.“ Außerdem: „Sexy-gesunde Mahlzeiten aus einer Schüssel – Bowls. Und Barbeque pofitierte vom wunderschönen Sommer.“
Quelle:foodservice
Immer gefragter seien „Lebensmittel aus der Region, kombiniert mit den Flavours aus der ganzen Welt – der globalisierte Gaumen.“ Trotzdem: „Niemand vergesse bitte gelernte Lieblingsprodukte, sowohl als Hauptsache auf dem Teller als auch als Snack zwischendurch.“ Und es muss nicht nur schmecken: „Essen sollte heutzutage immer auch instagram-tauglich sein.“ Forciert werde die Wahrnehmung von Qualität innerhalb der Branche durch starke Marken einerseits und durch innovative Startups andererseits.
L’Osteria setzt sich mit einem Plus von 18,2 % an die Spitze des Fullservice-Segments. Quelle: foodservice
50 Jahre Big Mac, Block House, KFC
Was prägte das Jahr außerdem? Die Benchmark in puncto Qualität und Frische Mövenpick feierte ihren 70. Geburtstag, das Kultprodukt Big Mac seinen 50., ebenso wie die Block Gruppe in Hamburg und KFC Deutschland. Grund zu feiern auch für L’Osteria: Im zwanzigsten Jahr ihres Bestehens setzte sich die Italo-Formel erstmals an die Spitze der deutschen Fullservicegastronomie.
Quelle: foodservice
Und es war ein Jahr der Übernahmen: Autogrill kaufte LeCrobag, Domino’s den Marktzweiten Hallo Pizza, der Schweizer Finanzdienstleister Khakis Capital die Nordsee. Und Tank und Rast bringt seinen schwedischen Einkauf Wayne’s Coffee nach Deutschland. Wie sich der Verkauf des Deutschlands-Geschäfts von Delivery Hero mit den Marken Lieferheld, Pizza.de und Foodora and Takeaway.com/Lieferando auf den Markt auswirken wird, bleibt abzuwarten und ist laut Weiß nicht vorhersehbar: „Zu viel ist in Bewegung. Food Delivery macht weltweit eine disruptive Entwicklung in atemberaubender Geschwindigkeit durch. Wohnzimmer und Büros werden zu Restaurants! Bei den meisten Großen der Branche heißt es: Mitmachen ist Pflicht, trotz heftiger Gebühren und der Abhängigkeit von den Plattformen.“
Quelle: foodservice
Vapiano: alle leiden
Als „bitter“ bezeichnete Weiß die jüngste Entwicklung bei Vapiano, dem deutschen Gastro-Pionier an der Börse, dessen Aktienkurs zuletzt nach drei Gewinnwarnungen zuletzt um 75 Prozent nachgegeben hatte, und mahnte: „Schadenfreude ist hier fehl am Platze. Denn auf der B2B-Ebene leidet die komplette Profi-Gastronomie mit.“ Es gehe jetzt darum, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und sie zu korrigieren.
Quelle: foodservice
Quelle: foodservice
Altes und Junges
Mut für Neues, Gespür für Machbares und Energie für Großes – dieser Dreiklang werde auch in den kommenden Jahren erfolgsversprechend sein, resümierte die Expertin. „Veränderungen sollen verbessern, dürfen kein Selbstzweck sein. Es gilt, Altes und Junges in Zusammenhang zu bringen. Nicht nach dem Prinzip ‚entweder.- oder‘, sondern ‚Sowohl als auch‘.“ Menschen werden immer digitaler: „Sie wollen aber in der Gastronomie analog berührt werden. So verschiebt sich der Fokus von ‚Food‘ zu ‚Service‘“.
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.