Das Unmögliche denken – auch und gerade in der Krise?! F&B Heroes, führendes Beratungs- und Managementunternehmen für das Gastgewerbe aus Frankfurt, stellt mit seiner „Gastro-Utopie 2030“ ein Zukunftsmodell für die Gastronomie vor. „Corona ist der Treiber von Entwicklungen und die Chance auf einen radikalen Wandel. Nicht mehr Wachstum allein, sondern Nachhaltigkeit, Chancengleichheit und das Miteinander sind Voraussetzungen einer lebenswerten Zukunft mit der Gastronomie als sozialer Ort“, fasst Geschäftsführer Jean-Georges Ploner seinen Traum zusammen. „Mit unserem Wunschbild wollen wir Raum für Vorstellungen geben, inspirieren und zum mutigen Handeln motivieren.“

Die Pandemie hat alles verändert? Nein, der Prozess der radikalen Veränderung durch Klimawandel, demografischen Wechsel und Digitalisierung war bereits vorher im vollen Gange, sagen die F&B Heroes. Das Virus habe Mängel und Fehlwirtschaft offengelegt, die in der Gastronomie eben nicht mit großzügigen Geldern vom Staat ausgeglichen werden. Jean Ploner und seine Mitstreiter appellieren an die Branche, vieles aus einer neuen Perspektive zu sehen und so zu neuen Einsichten und Erkenntnissen zu kommen. „Auf einmal erkennen wir die alte Normalität als Trugbild einer scheinbar planbaren, auf Wohlstand und Wachstum ausgerichteten Welt. Die Pandemie wirkt wie ein Vergrößerungsglas, das Schwächen und Defizite aufzeigt und den bisher ignorierten Veränderungsprozess in vielen Bereichen beschleunigt.“

Kein Rückfall in alte Verhaltensmuster

Wer es mit der Nachhaltigkeit ernst meine, der müsse erkennen, dass eine Dekarbonisierung der Wirtschaft bei gleichzeitigem Rückfall in alte Verhaltensmuster nicht ausreicht. „Denn durch das Festhalten an der Fantasie des unendlichen Wachstumes, verschlechtern wir die Situation immer weiter“, so die Berater. „Wachstum darf nicht mehr die einzige Prämisse unseres Wirtschaftens sein.“

Obwohl Zukunft weder plan- noch vorhersehbar ist, lassen sich Wünsche formulieren und Szenarien vorstellen. Das Wunschbild der Gastro Utopie 2030 der F&B-Heroes beruht auf 3 Säulen:

Jean Ploner F&B Heroes

Gründer und Leitfigur der F&B Heroes: Jean-Georges Ploner. Fotos: Vivi D’Angelo

Säule 1: Chancen-gleichheit

Schlüssel ist die Systematisierung individueller Ansätze in einem genossenschaftlichen Modell: „Wir verstehen Chancengleichheit als gleichberechtigten Zugang zu Ressourcen wie Informationen, Know-how und Möglichkeiten. Jeder soll die Chance haben, für sich selbst zu bestimmen. Damit widersprechen wir nicht dem Leistungsgedanken. Aber nur durch Chancengleichheit wird es unserer Branche gelingen, die aktuell vorherrschende Limitierung – den Zugang zu finanziellen Mitteln – zu überwinden.“ 

Kapital soll zukünftig nicht nur als Geld, sondern als Ressource verstanden werden, fordern Ploner und seine Partner. Ihr Vorschlag: Das aus der Landwirtschaft bekannte Modell der Genossenschaft wird auf die Gastronomie übertragen. Ploner: „Das gemeinschaftliche Wirtschaften der Gastronomen einer Stadt dient nicht der Gleichmacherei, sondern es handelt sich um die Systematisierung der Individualität. So können alle konkurrenzfähig sein, sich entwickeln und auf das konzentrieren, was sie an dieser Branche lieben und was sie motiviert, in ihr zu arbeiten.“

F&B Heroes

Die F&B HEROES GmbH ist eines der führenden Beratungs- und Managementunternehmen für das Gastgewerbe, den Handel und die Immobilienwirtschaft. Das Unternehmen ist spezialisiert auf die Entwicklung, Optimierung und das Management nachhaltig erfolgreicher Gastronomie-Konzepte. Mit offenen Teams und international tätigen Spezialisten plant, realisiert und betreibt die F&B HEROES GmbH Gastronomie-Objekte branchen- und länderübergreifend. Hierfür bündelt das Unternehmen Kompetenz und Leidenschaft erfahrener Hospitality-Profis zu strategisch ausgerichteten, datenbasierten Lösungen. Dazu bietet das Unternehmen ein umfassendes Leistungsspektrum sowie die Auswahl geeigneter Konzepte und Partner für die Gastronomie in Einkaufszentren oder Immobilienobjekten.

Zentrale Produktionsstätten und Einkaufsgemeinschaft

Der Plan: Die Gastronomen betreiben gemeinsam eine zentrale Vorbereitungs- und Produktionsstätte mit entsprechender Logistik. Sie bilden eine Einkaufsgemeinschaft mit einem neuen Wertesystem mit dem Ziel, anstatt billigere immer hochwertige Produkte zu kaufen. Das Gewicht der Einkaufsgemeinschaft wird anstatt für Preissenkungen für Qualitätssteigerung genutzt, so dass alle nachhaltige Produkte zum erschwinglichen Preis kaufen können. Das ist im Sinne aller Beteiligten, aller Gäste und der Umwelt.

Durch die allgegenwärtige Prämisse der Nachhaltigkeit wird ein zirkuläres System aufgebaut. Der Abfall aus dem einen Prozess ist der Rohstoff für ein anderes Produkt. Es entstehen Verbindungen zu den regionalen Produzenten. Kleinere Manufakturen siedeln sich im Umfeld an und profitieren so von der Gemeinschaft. Eine wachsende Kompetenz im Bereich Urban Farming entsteht, womit auch die Nachfrage an außergewöhnlichen Produkten befriedigt wird.

Unabhängige und faire Logistik

Die Lieferkette und Logistik werden unabhängig von Tech-Konzernen ebenfalls genossenschaftlich organisiert. Durch die optimale Auslastung durch Einsatz digitaler Tools können den Fahrer angemessene Gehälter gezahlt werden. Und auch die Gäste verstehen, dass sie ihren Teil für eine ökologisch und sozial nachhaltige Logistik bezahlen müssen.

Statt zu besitzen, können sich Gastronomen Kleingeräte und Ausrüstung, zum Beispiel für Veranstaltungen, kostengünstig leihen. Die Geräte sind stets gewartet, repariert und es gibt auch “the hottest shit” zum Testen.

Friederike Bothe F&B Heroes

F&B Hero, Spezialistin für Corporate Branding, Kommunikation im Raum und Trends: Friederike Bothe

Als weiterer Effekt wird die Genossenschaft zur Research- und Development- Abteilung der Branche. Eine öffentliche Bibliothek bzw. eine Datenbank für die Gastronomie entsteht. Die Teilhabe an Know-how und Erfahrungen ist eine maßgebliche Grundidee der Shared Economy. Auch die Arbeitsvergabe wird auf einer digitalen Plattform neu organisiert. Die Gastronomen stellen hier ihre wöchentlich benötigten Aushilfsschichten ein und Mitarbeiterinnen aus dem Pool buchen sich selbst für ihre Wunscharbeit und -schicht ein. Auch Privatpersonen können auf dieser Plattform ihre Zeit zur Verfügung stellen. Statt gegen Bezahlung bieten manche ihre Kompetenz als Gegenleistung für ein schönes Dinner-Erlebnis an. Ihr Antrieb ist, Teil einer sinnvollen Aufgabe und Gemeinschaft zu sein. Austausch von Leistung, abseits von Geld, wird eine Selbstverständlichkeit.

Säule 2: Solidarität

Wie jedes gesunde System bedarf auch die Gastronomie einer Balance der unterschiedlichen Kräfte und Interessen. Die Individualgastronomie ist als Treiber für Innovation, Vielfalt und Lebendigkeit das Salz und die Würze im Gesamtmarkt, die es zu fördern und zu erhalten gilt. Denn auch die Systemgastronomie als Repräsentant des Mainstreams profitiert von der Innovationskraft und dem Mut der Individualisten als Quelle der Inspiration und als Gestalter einer attraktiven, vielfältigen Gastronomielandschaft.

Der Erfolg der Systemgastronomie beruht darauf, Ideen zu skalieren und zu monetarisieren. „System- und Individualgastronomie brauchen sich gegenseitig und bilden eine Symbiose“, erklärt Ploner. „Die Big Player sind zwar die Hauptprofiteure der Krise, doch sie sind sich der Bedeutung der Individualgastronomie für ihre eigne Existenz sowie für die Zukunftssicherung ihrer Märkte und der gesamten Branche bewusst geworden. Sie verstehen, dass ihre Pflicht als die Stärkeren darin besteht, den Schwächeren zu helfen. Frei nach Pippi Langstrumpf: Wenn du sehr stark bist, musst du auch sehr nett sein.“

Die Schwergewichte der Branche sollten, so wünschen es sich die F&B Heroes, durchsetzen, dass sie stärker besteuert werden, damit individuelle, von Personen geführte Restaurants, Cafés, Bars usw. einen vergünstigten Steuersatz erhalten können.

Darüber hinaus geben sie Kreativen und Start-Ups Zugang zu ihren Ressourcen, Einkaufsmöglichkeiten und Know-how. „Auf diese Weise entsteht ein weit gesteckter Rahmen für die Entfaltung von Kreativität und Innovation, von deren Weiterentwicklung alle Beteiligte partizipieren.“

Antje de Vries F&B Heroes

F&B Hero, Köchin und Ernährungsökonomin mit Leidenschaft für die Gestaltung von kulinarischen Identitäten und Interaktionen: Antje de Vries

Säule 3: Qualifikation

Qualifikation ist die Grundvoraussetzung für die Professionalisierung der Gastronomie. Bei aller Digitalisierung und Globalisierung bleibt der Mensch die Wurzel jedes Gastro-Konzeptes und bedarf der dauerhaften Bildung.

„Die Krise hat viele grundsätzliche strukturelle Probleme der Gastronomie mit aller Deutlichkeit aufgezeigt“, erläutert Ploner. „Insbesondere semi-professionelle Betriebe haben die Monate des Lockdowns an die Existenzgrenze gebracht. Vielleicht wird es nach der Pandemie nur noch 60 Prozent der bisherigen Gastronomien in Deutschland geben. Der Verlust von 40 Prozent der Betriebe ist schmerzlich, denn hinter jedem geschlossenen Restaurant steckt ein persönliches Schicksal.“ Dennoch sei nicht die Quantität, sondern die Qualität und Professionalität der einzelnen Gastronomiebetriebe für die Zukunftsfähigkeit der Branche relevant.

„Fortschritt beruht auf Ideen und der Kraft, diese Wirklichkeit werden zu lassen. Solidarisierung hat nichts mit Almosen oder einseitige Zuwendung gemein, sondern ist die Notwendigkeit für das Gleichgewicht eines Systems und einer Gesellschaft, damit diese zukunftsfähig bleibt. Die Gastronomiebranche kann damit Vorreiter und Vorbild für viele andere Wirtschaftszweige in Deutschland, Europa und der ganzen Welt sein.“

Jean-Georges Ploner

Geschäftsführer, F&B Heroes

Unternehmerkompetenz

Gastronomen, Verbände und Politik sollten das Betreiben einer Gastronomie an eine Qualifikation und einen Test koppeln, bei dem Fachkenntnisse, wirtschaftliches Grundwissen, Führungs- und Nachhaltigkeitskompetenz nachgewiesen werden müssen. „Um sich dieses Wissen anzueignen, werden kostenlose Online-Kurse und Praktika in der Gastronomie angeboten“, schlägt Ploner vor. „Die Inhalte und Themen werden durch Verbände der Gastronomen finanziert, koordiniert, dabei der Lehrstoff stetig aktualisiert und angepasst.

Moderne Aus- und Fortbildungsprogramme für alle 

Neue, an die veränderten Anforderungen angepasste Ausbildungsprogramme müssten ausgearbeitet und Fortbildungsprogramme von Crash-Kursen bis Master-Classes angeboten werden. Jeder solle sich bilden und weiterbilden, unabhängig von Sprache, Herkunft und finanziellen Möglichkeitenm, damit die zukünftigen Mitarbeiter besser trainiert sind und so über klare Vorstellungen sowie ein größeres Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre Tätigkeit und ihre Rolle in der Branche verfügen.

Tim Plasse F&B Heroes

F&B Hero, gesellschaftlichem Vordenker und Konzeptentwickler: Tim Plasse

Veränderter Markt bringt Chancen

Weniger Mitbewerber bedeuten der Gastro-Utopie zufolge mehr Spielraum für die existierenden Konzepte. „Trotz des geschrumpften Marktes werden sie einen höheren Umsatz generieren können. Neue, innovative Konzepte fassen leichter Fuß, entwickeln sich schneller und sind nicht mehr der Gefahr ausgesetzt, in der Masse der Mittelmäßigkeit unterzugehen. Die Zukunft der Gastronomie liegt nicht in technischen Lösungen, sondern vor allem in gut ausgebildeten Menschen und professionell geführten Betrieben“, schreiben die Experten. 

Die Gastronomie müsse bei der Rückeroberung des innerstädtischen Raums für die Menschen helfen, damit sich die leblosen Konsumtempel zu Kulturräumen wandeln, fordert Ploner. Dazu könnten Investoren und Eigentümer reie Flächen in den Innenstädten der Gastronomie zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellen – aus Eigeninteresse! Denn der Handel ist nicht mehr das alleinige Zugpferd für die Innenstädte.

So könne die Plattform Gastronomie der stark gebeutelten Kreativwirtschaft neue Möglichkeiten anbieten.  Restaurants, Cafés und Bars werden zu Konzert-, Performance- und Ausstellungsräumen mit Mehrwert für die Gäste. Die Kreativwirtschaft nutzt die Plattform Gastronomie für neue Geschäftsmodelle und profitiert von deren Netzwerk und Reichweite. Off- und Online gehen Hand in Hand und jedes Konzept integriert diesen Gedanken.

„Währung zum Austausch von Leistung und Ideen

Denkbar ist für die F&B Heroes sogar die Einführung einer eigenen Währung: „Einheiten dieser Währung können durch die Arbeit als Aushilfe, besondere Leistung oder auch Ideen erworben und bei unterschiedlichen Beteiligten eingelöst, weitergegeben oder gespendet werden. Es entsteht eine Art Treue-Programm der Branche. Auch unter den Wirtschaftstreibenden wird die Währung beliebt. Leistungen werden mittels dieser Währung ausgetauscht. Sie ist frei von Spekulationsmöglichkeit und Eigennutzen.

Gastronomie wird zum Partner des Alltags

In einem nächsten Schritt könnten auf der Plattform Gastronomie lokale und virtuelle Marktplätze mit einem vielfältigen Angebot entstehen: Individuell, personalisiert und mit dem Qualitätsanspruch von Restaurants werden Fertiggerichte für jeden Geschmack und Geldbeutel angeboten. Immer unter Beachtung von Nachhaltigkeit als zentraler Aufgabe und Klammer für alles Tun. Nicht in Konkurrenz zur Food Industry, sondern als Abwechslung und in persönlicher Interaktion mit den Machern und Menschen dahinter. 

Uwe Plappert

F&B Hero und zuständig für Business Management und F&B Produktion: Uwe Plappert

Vom Wunschbild zur Wirklichkeit

Das gezeichnete Wunschbild ist eine Utopie, so die Berater abschließend. „Aber für eine Branche, in der so viele wunderbare und leidenschaftliche Menschen aktiv sind, gehören fantasievolle Visionen einfach dazu. Für diese Menschen ist Gastronomie kein Wirtschaftszweig, sondern etwas das verbindet, nährt und inspiriert. Und kann nicht gerade da, wo sich Menschen verbinden, Fantasie Realität werden? Wir glauben ja!“