Viele Länderküchen der Welt sind mittlerweile in Deutschland vertreten – vom asiatischen Raum über Arabien bis nach Nord- und Südamerika speisen wir inzwischen ganz selbstverständlich Ramen, Mezze, Ribs und Ceviche. Authentische Spezialitäten aus der Karibik sind hierzulande jedoch (noch) relativ selten in Restaurants zu finden. Das britische Erfolgskonzept Turtle Bay will das ändern. Seit 2016 hat Deutschland-Geschäftsführer Alexander Gausmann zwei Standorte in Dresden und im Centro Oberhausen eröffnet. Mittelfristig sieht er Potenzial für etwa 15 Restaurants in Deutschland.   

„Schuld“ an Turtle Bay ist Victor, Wirt einer Strandbude auf Barbados. Bei ihm schlugen die Markengründer Ajith Jayawickrema und Crispin Tweddell vor mehr als zehn Jahren während eines Segeltrips durch die Karibik für ein paar Drinks auf. „Er hat die beiden elf Stunden lang auf die karibische Art entertained und begeistert“, berichtet Alexander Gausmann, Geschäftsführer von Turtle Bay Deutschland. „Danach stand für die beiden fest: Das wollen wir auch – und zwar in Großbritannien!“

Authentisches Karibik-Gefühl

Bei der Konzeptentwicklung stand vor allem eine Frage im Raum: Gäbe es das bei Victor auch? Denn Turtle Bay sollte kein kitschiger Abklatsch von Südsee-Romantik werden, sondern authentisches Karibik-Gefühl mit allem Drum und Dran transportieren. Natürlich bauten Jayawickrema, dessen Wurzeln übrigens in Sri Lanka liegen, und Tweddell keine Bretterbude, als sie 2011 ihr erstes Turtle Bay in Milton Keynes eröffneten. „Aber wir legen Wert darauf, dass jedes Detail eine gewisse Lockerheit vermittelt, es darf gerne etwas schief und abgenutzt sein“, erklärt Gausmann. So wie bei Victor eben.

Und auch beim Service-Personal sind schräge Charaktere, Tattoos und Piercings gern gesehen. „Bei Turtle Bay in UK arbeiten echte Typen, darunter Schauspieler oder auch Banker, die ein Gegengewicht zum Bürojob suchen. Die singen dann auch mal die Speisekarte oder tanzen auf den Tischen“, verrät Gausmann schmunzelnd.

Der Turtle Bay-Dreiklang von rumbasierten Cocktails, spicy Jerk und Reggae-Vibes schlug im Königreich daher ein wie eine Bombe. „Die Briten haben durch ihre koloniale Vergangenheit und viele Einwanderer aus dieser Weltregion einen viel leichteren Zugang zur Mentalität der Karibik als die Deutschen“, erklärt Gausmann fast ein bisschen wehmütig. „Ich stehe immer noch in den britischen Restaurants und kann kaum glauben, was da abgeht. Den Deutschen sind diese Fröhlichkeit und Verrücktheit leider nicht so eigen.“

Bevor er für das britische Konzept Turtle Bay Deutschland als ersten Auslandsmarkt erschloss, was Geschäftsführer Alexander Gausmann war als Director Catering und Events beim Sports Hospitality-Spezialisten Arena One (u.a. Allianz Arena) tätig. Alle Fotos: Turtle Bay.

Herzstück: Die Bar

Im Mittelpunkt des großen Gastraums (rund 600 qm) steht die einladende Bar. In der Küche werden die Speisen mit maximaler Frische zubereitet. Wichtigste Zutat: die würzige karibische Marinade ‚Jerk‘, in der viele Fleischgerichtet eingelegt werden.

Wurde die Speisekarte aus Großbritannien in Deutschland zunächst 1:1 übernommen, wurde jetzt ein an den deutschen Gaumen angepasstes, weniger auf Schärfe setzende Angebot lanciert. „Die Geschmäcker sind hier einfach unterschiedlich“, sagt Gausmann und versichert: „Trotzdem servieren wir immer noch authentische karibische Küche, die es auch bei Victor geben könnte – nur eben weniger ’spicy‘. Sauerbraten würde man uns sowieso nicht abnehmen.“ Regionale Schwerpunkte der Küche sind Barbados, Jamaica und Trinidad & Tobago.

Indischer Ursprung

Die neue Karte bietet nun Exotisches wie die Jerk Platte zum Teilen, mit karibischen Wings, BBQ Rippchen, Jerk Rinderrippe, knusprigen Zuckermaisbällchen, Chili-Calamari, Festival-Salat und hausgemachter Jerk Sauce (16,50 €). Oder Sunshine Ribs: Marinierte und gegrillte Schweinerippchen entweder mit hausgemachter Jerk Sauce oder milder BBQ Sauce und Wassermelonenecke für 11,90 €. Natürlich dürfen auch Burger und Currys nicht fehlen. Denn: „Die karibische Küche wurde maßgeblich von den indischen Zwangsarbeitern beeinflusst, die die Kolonialmächte auf die Inseln verfrachteten. Im Laufe der Jahrhundert haben sich die Gerichte allerdings sehr weit von ihrem Ursprung entfernt“, erklärt der Deutschland-Manager.

Fürs karibische Party-Feeling unerlässlich sind die rumbasierten Cocktails zu fairen Preisen (8 € bzw. 2 für 1 in der Happy Hour). 40 verschiedene Rum-Sorten sind im Angebot und werden beispielsweise zum Marley Mojito (J. Wray Gold Rum, frische Limetten, Wassermelonen-Sirup, frische Minze, Gingermix, Wassermelone, Zitronenlimonade & Midori Melonenlikör) oder UB40 (Rotwein, Brombeerlikör, Old Pascas white Rum, Himbeeren, Zitronensaft, Honig & Ginger Mix) gemixt. Den hohen Stellenwert der Getränke spiegelt auch das F:B-Verhältnis von 50:50 wider.  

Lebenslust und Lebensfreude

Während manch Bundesbürger mit der Karibik-typischen Schärfe fremdelt, ist Gausmann positiv überrascht, wie viele Reggae-Fans es hierzulande gibt. „Das hätte ich so nicht erwartet, aber diese Musikrichtung ist wirklich sehr beliebt in Deutschland.“ Entsprechend erfolgreich sind die regelmäßig veranstalteten Turtle-Beach-Partys. „Hier geht es um Lebenslust und Lebensfreue“, unterstreicht Gausmann. „Damit können wir uns von vielen anderen Konzepten abheben.“

Dennoch, auch das kann Gausmann, der zum Thema Umsatz nur preisgibt, dass der Durchschnittsbon in Deutschland auf dem Niveau von Großbritannien liegt, nicht verhehlen, geht es hier mit der Expansion deutlich langsamer voran als ursprünglich geplant. „Die Immobiliensuche gestaltet sich schwierig.“ So eröffnete der erste Standort 2016 in Dresden – vielleicht nicht die Stadt, die einem als erstes in den Sinn kommt, wenn es um exotisches Beach-Feeling geht. „Viele unserer Gäste sind Touristen, die verstehen unser Konzept in der Regel sofort“, sagt der Geschäftsführer. „Und die Dresdner selbst haben uns eindeutig positiv überrascht!“

Scharfes Fleisch – in Jerk mariniert – und Currys sind typisch für die karibische Küche. Die ‚Jerk Platte‘ bietet Einsteigern die Möglichkeit, vieles auszuprobieren. 

Kooperationen mit AirBnB-Vermietern

Um die zahlreichen Besucher der Stadt wirbt man mit kreativen Kooperationen, zum Beispiel mit Rikscha-Fahrern, AirBnB-Vermietern, sogar Autohäusern und Küchenbauern. Auch an der Gastro-Meile des Centro Oberhausens mit ihrer breiten Front zum Rhein-Herne-Kanal und der benachbarten König-Pilsener-Arena gilt es, immer wieder auf sich aufmerksam zu machen. Turtle Bay nutzt dazu auch die sozialen Medien. „Wir beschäftigen einen Social-Media-Manager, der sich um nichts anderes kümmert und schnell auf alle Anfragen und Kommentare der Gäste reagiert.“

Und natürlich soll Turtle Bay trotz des nicht ganz einfachen Starts auch in Deutschland weiter wachsen. Der bereits angekündigte Standort in Köln wird sich allerdings noch ein wenig verzögern. „Zwei bis drei neue Restaurants pro Jahr sind machbar“, ist Gausmann optimistisch. „Wir funktionieren in allen Städten mit mindestens 500.000 Einwohnern an Standorten mit viel Laufkundschaft den ganzen Tag über. Aber wir werden uns jede Fläche genau ansehen, ob sie für Turtle Bay passen.“

Das würde Victor sicher genauso machen.