Foto: Crazy Sheep/GMK Medien.Marken.Kommunikation
Ist es die dritte, vierte oder sogar schon die fünfte Welle? Junge und nicht mehr ganz so junge Kaffeekonzepte suchen heute mehr denn je Individualität und Unverwechselbarkeit. Dabei steht mit Sorgfalt Handgemachtes nach wie vor hoch im Kurs. Aber ohne Schnickschnack und Tamtam. Vier Vertreter, die ihren eigenen Weg gehen, stehen beispielhaft für die neue Café-Generation:   

Black Apron: Konditorei American Style

Wenn es um Kuchen, Torten und Teilchen geht, macht Özlem Sögüt keine Kompromisse. „Qualität steht für uns an oberster Stelle“, sagt die gastronomische Quereinsteigerin, die seit 2015 die Leckermäuler in Hildesheim mit ihrem Konzept ‚Black Apron‘ (40 Sitzplätze) beglückt. Im amerikanischen Stil stellen hier gelernte Konditoren in einer einsehbaren Manufaktur verführerische Kreationen wie Salted Caramel Cheesecake, Peanut Butter Cake, Cinnamon Rolls, Apple Crumb und Fudge Brownies frisch her. „Mit echter Butter und anderen ehrlichen Zutaten“, unterstreicht Sögüt.

„Und meistens sogar zuckerreduziert, sodass man ohne allzu schlechtes Gewissen genießen kann!“ Rund 20 verschiedene Rezepturen wechseln sich ab. Kostenpunkt pro Stück: zwischen 3 und 4,50 €. Dafür bekommen die Kunden so viele Bio-Zutaten wie möglich, ebenso vegane und glutenfreie Kuchen, „die richtig toll schmecken – auch Nicht-Veganern!“

Mittlere Röstung für klassische Kaffeetrinker

Doch Özlem Sögüt kann nicht nur Kuchen: Mit ihrem Kaffeebar-Konzept Codos Brewbar ist sie bereits seit 2004 in Hamburg präsent, inzwischen mit zwei Standorten. Hier bietet sie Spezialitäten aus aller Welt an. „Demnächst werden wir anfangen, selbst zu rösten“, berichtet die Unternehmerin. Einen eigenen Codos-Blend gibt es bereits: anders als der Trend in einer mittleren Röstung. „Momentan bieten die meisten ThirdWaver ausschließlich eine super-helle Röstung an, wir möchten dagegen den ‚klassischen‘ Kaffeetrinker mitnehmen und zeigen, dass auch eine mittlere Röstung qualitativ und geschmacklich gut sein kann.“ Um eine Vielfalt im Angebot sicherzustellen, sind im monatlichen Wechsel befreundete Röster mit einem Gastespresso präsent. Denn: „Auch beim Kaffee geht es um Gemeinschaft und Zusammenarbeit!“

Zeichen setzen

Klar, dass es den Codos-Kaffee auch im Black Apron gibt. Umgekehrt versorgt die Konditorei auch drei Mal pro Woche die Cafés in Hamburg mit hochwertigem Food. „Viele Kaffeebars vernachlässigen leider immer noch das Essensangebot“, bedauert Sögüt. „Hier wollen wir ein Zeichen setzen, dass beides geht: köstliche Kuchen und toller Kaffee!“

Nachdem Black Apron im mittelgroßen Hildesheim seine Bewährungsprobe bestanden hat, darf sich das Konzept in der Hauptstadt beweisen. Mitten in Mitte eröffnete im Juni das zweite Café mit rund 30 Sitzplätzen und entwickelt sich seither prächtig. Auch Hamburg soll ein Black Apron bekommen. 2020 soll es soweit sein. Und dann kommt Codos auch nach Berlin. Die Kaffeebar-Marke soll in beiden Städten weiterwachsen. Und für den kulinarischen Kick sorgen die Konditoren mit der schwarzen Schürze.

Crazy Sheep: Wir sind anders

Jung und verrückt – die im Sommer im fränkischen Bayreuth eröffnete Crazy Sheep KaffeeManufaktur pflegt neben einem hohen Anspruch an die Kaffeequalität ein aufgekratztes ‚Wir -sind-anders‘-Image. Geschäftsführer Thomas Wenk und Simon Bayer, Röster und Barista, möchten mit ihrer Passion für guten Kaffee das Produkt erleb- und anfassbar machen. Die KaffeeManufaktur befindet sich in einer alten Gabelstaplerwerkstatt, ein moderner, neuer Glasbau und ehrliche Materialien wie Stein, Stahl, Messing, Leder, Glas und Granit schlagen die Brücke zwischen Industriekultur und modernem Zeitgeist.

In der Manufaktur werden alle Themen rund um die Bohne zelebriert. Besucher können live dabei sein, wenn die Bohnen geröstet und die Blends mit viel Fingerspitzengefühl gemischt werden. Auch spezielle Zubereitungsmethoden wie Coldbrew, Aromakanne oder Aeropress werden demonstriert. Fürs leibliche Wohl gibt es eine kleine, aber feine Auswahl an Tartes und Kuchenvariationen in Bioqualität.
„Die Legende besagt, dass die Kaffeepflanze in Äthiopien von einem Schäfer entdeckt wurde.“
Thomas Wenk

Geschäftsführer, Crazy Sheep

Nachhaltigkeit und Transparenz

Die Bohnen stammen aus verschiedenen Anbauregionen der Welt, darunter Brasilien, Äthiopien oder Indien. Erhältlich sind sowohl ausgewählte, sortenreine Microlots als auch Blends – als ganze Bohnen oder gemahlen für zu Hause. Aktuell sind sieben verschiedene Spezialitätenkaffees dauerhaft im Angebot, weitere sollen nach und nach dazu kommen. „Im nächsten Schritt streben wir danach, unsere Kaffeebauern persönlich zu kennen und sie regelmäßig zu besuchen. So wollen wir den Weg des Kaffees bis in unsere Manufaktur transparent machen“, erklärt Wenk. Dem Qualitäts-, Nachhaltigkeits- und Transparenzanspruch folgt auch die Verwendung von recycelbaren Verpackungen aus Kraftpapier ohne Aluminiumschicht und Coffee-to-go-Bechern aus Graspapier.

Crazy Sheep – crazy name? „Die Legende besagt, dass die Kaffeepflanze in Äthiopien von einem Schäfer entdeckt wurde“, erklärt Thomas Wenk die Herkunft des Markenmaskottchens. „Er hatte zum Feuerschüren Äste mit Kaffeekirschen daran verbrannt. Am nächsten Tag knabberten die Schafe an den Überresten und sie verhielten sich danach ein bisschen verrückt. Der Schäfer fand schließlich heraus, dass es an den Kaffeefrüchten und ihrer belebenden Wirkung liegen musste.“

Cofi Loco: Vierte Welle

„Wenn die Third Wave-Kaffeebars das Thema Kaffee zur Wissenschaft gemacht haben, dann ist Cofi Loco die vierte Welle“, sagt Uwe Prommer schmunzelnd. Das Motto seines im April 2018 eröffneten Kaffeetempels im rheinischen Siegburg: Keep it simple. Das beinhaltet nicht nur eine Konzentration auf gerade einmal drei Kaffeevarietäten und zwei Röstungen, sondern auch auf die ausschließliche Zubereitung von Espresso, Café Crema und den üblichen Spezialitäten in einer hochwertigen Siebträgermaschine. „Die meisten Gäste wollen ohnehin nicht viel diskutieren, sondern einfach guten Kaffee trinken. Da brauchen wir keine  aufwändig ausgebildeten Baristi hinter dem Counter.“

Neben den Siegburgern zählt Prommer auch viele Nutzer des benachbarten ICE-Bahnhofs zu seinen Kunden. 30 Plätze bietet das Cofi Loco, die eigenen Kaffees sind inzwischen auch im lokalen Siegburger Handel sowie in einigen Gastronomien und Büros präsent.

Einsehbare Rösterei

Dem Anspruch, Siegburgs besten Kaffee anzubieten, wird Prommer mit einer strengen Auswahl gerecht. „Wir kennen buchstäblich jede Bohne beim Namen: Alle drei Länder, aus denen wir Rohware beziehen, habe ich bereist und mich von den umwelt- und menschengerechten Produktionsbedingungen überzeugt. Transparenz und Storytelling sind heute beim Kaffee unerlässlich.“ Die Veredelung übernimmt er ohnehin selbst in der vom Café aus einsehbaren Rösterei. „Sie ist für uns genauso wichtig wie eine offene Küche für ein Restaurant“, betont der Unternehmer, der zuvor 25 Jahre lang die kleine Kette Poco Loco führte. Und eigentlich kein Gastronom mehr sein möchte: „Wir suchen gerade einen passenden Partner, der den Betrieb der Kaffeebar übernimmt und sie als Showroom für unseren Kaffee weiterführt.“

Show-Rösten und Duft-Marketing

Dann können sich Prommer und sein Team ganz dem Vertrieb ihres innovativen Micro-Roastery-Konzepts widmen: „Mit unserem mobilen Rolling Roaster, die sich überall auf nur 1 qm Fläche als Shop-in-Shop-Konzept aufbauen lässt, kann jeder sein eigener Röster werden. Zielgruppe sind Cafés, Bäckereien und Einzelhandel, die ihren Kunden exzellenten Kaffee und ein bisschen Show-Rösten und ein anziehendes Duft-Marketing bieten wollen. “ Selbst zu rösten sieht Prommer als momentan stärksten Kaffeetrend. „Hier schlägt der Wunsch der Verbraucher nach lokalen Produkten voll durch.“

Hoppenworth & Ploch: Von der Uni in die Altstadt

Gestartet vor über zehn Jahren auf dem Unigelände, hat sich Hoppenworth & Ploch zu einer der ersten Adressen Frankfurts entwickelt, wenn es um ausgezeichneten Kaffee geht. Dabei hatten Matthias Hoppenworth und Julian Ploch eigentlich gar keine Gastronomie im Sinn, als sie aus Neugier einige ausgemusterte Gastro-Kaffeemaschinen kauften und wieder flott machten. „Das Ergebnis hat uns überrascht, denn es war besser als die meisten Kaffees, die wir zu der Zeit in der Gastronomie bekommen haben“, erzählt Julian Ploch.

Der Ehrgeiz der beiden Studienfreunde war geweckt und sie eröffneten ihr erstes Café in einem Studentenwohnheim auf dem Campus. Zunächst mit Kaffees eines lokalen Rösters, später auch mit Bohnen, die sie am zweiten Standort auf der Friedberger Landstraße selbst rösteten. „Die Kapazitäten reichten dort aber schon nach kurzer Zeit nicht mehr aus, weshalb wir jetzt endlich in eine größere Produktionshalle auf 450 qm in Sachsenhausen gezogen sind“, berichtet Ploch.

Kaffee in Mehrweggläsern

Denn längst ist Kaffee der Marke Hoppenworth & Ploch auch in der Frankfurter Gastronomie vertreten. „Unsere hellen Röstungen sind nicht ganz unkompliziert im Handling, deshalb ist es wichtig, dass unsere Kunden dem Thema ausreichend Aufmerksamkeit schenken – für Gastronomen haben wir auch etwas dunklere Röstungen mit einem Robustaanteil im Angebot“, betont der studierte Biochemiker. Engagiert sind Hoppenworth und Ploch auch in puncto Müllvermeidung: „Wir beliefern die Frankfurter Unverpackt-Läden und verkaufen den Kaffee bei uns seit einiger Zeit auch in Mehrweggläsern.“

Inzwischen zählt das Team inklusive dem Espressomaschinenhandel namens Craft Coffee Gear rund 60 Mitarbeiter, davon zehn in Vollzeit.

Mehr Sitzplätze,

mehr Food

Mit dem Auszug der Rösterei bekam der Standort an der Friedberger Landstraße zu den bisherigen 20 fünfzehn weitere Sitzplätze hinzu. Auch das Food-Programm wurde ausgeweitet: „Zusätzlich zu unseren hausgemachten Kuchen gibt es jetzt  auch Frühstück“, berichtet Matthias Hoppenworth.

Anfang August eröffnete außerdem ein dritter eigener Laden in der Frankfurter ‚Neuen Altstadt‘: „Hier geht es überwiegend um den Röstkaffee- und Zubehörverkauf“, erklärt Ploch. „Aber es gibt auch 20 Sitzplätze für den Vor-Ort-Verzehr unserer Kaffees und Kuchen. Außerdem ist eine Weinbar integriert.“ Steht weiteres Wachstum auf der Agenda? Da sind Hoppenworth und Ploch ganz entspannt: „Mal sehen, was sich ergibt. Jetzt konzentrieren wir uns auf unsere drei Läden, die Gewerbekunden und den Online-Shop.“
Dieser Text erschien zuerst in der Ausgabe September 2019 der Zeitschrift Fizzz.