Neues Leben in der Gießener Alten Post. Nach mehr als zwölfmonatiger Bauzeit und Lockdown-bedingter Wartezeit hat in dem historischen Gebäude am Bahnhof nun endlich das Benediktiner Weissbräuhaus seine Türen für die Gäste geöffnet. Geschäftsführer Tim Plasse und die Bitburger Braugruppe, die hier ihren ersten Eigenbetrieb eines Gastronomie-Objekts realisiert hat, vereinen in dem Ganztageskonzept traditionelle Wirtshauskultur mit urbaner Gastlichkeit. Aus dem Zapfhahn fließt die Vielfalt der Benediktiner Biere, dazu gibt’s frisch interpretierte Klassiker der Gasthausküche und Hausmannskost auf hohem Niveau. Auf das Pilotprojekt in Gießen sollen weitere Standorte der neuen Bräuhaus-Marke folgen.
Einen siebenstelligen Betrag haben die Bitburger Braugruppe und der Eigentümer der ehrwürdigen Immobilie, Kai Laumann, in die Wiederbelebung des Gebäudes investiert. Lohn der Mühe: ein hell-freundlicher Gastraum mit viel Holz, nostalgischen Fliesen und femininem Dekor, unterteilt in unterschiedliche Bereiche für die vielseitige Nutzung bei Anlässen jeder Art. Neben der Brauschänke, der loungigen Stube, dem Esszimmer und dem Restaurant gehören ein Biergarten und eine Terrasse, die hauseigene Bäckerei und das Holzfass Bierlager zum Haus.
„Wir sind absolut begeistert, dass wir nach monatelanger Wartezeit endlich diesen Ort des Wohlfühlens in Gießen eröffnen können. Durch die Teilung des Gastbereichs in verschiedene Welten schaffen wir nicht nur ein kulinarisch, sondern auch architektonisch vielfältiges Angebot für unsere Gäste“, erklärt Gastronom Tim Plasse. Dabei kamen bewusst einfache und schlichte, aber hochwertige Materialien zum Einsatz: „Wir wollten keinen Tempel schaffen, sondern ein betriebswirtschaftlich sinnvolles Konzept, das zukünftige Partner auch in anderen Räumen umsetzen können“, betont Rainer Noll, Geschäftsführer der Bitburger-Kontor Gruppe.
Zitate aus dem Kloster Ettal
Barock wird es immer dort, wo das Konzept das klösterliche Leben der Mönche im Kloster Ettal, der Heimat des Benediktiner-Biers, zitiert – beispielsweise beim großformatigen Christus-Wandbild im „Stube“ genannten Bereich. So beginnt das Gast-Erlebnis gleich am Eingang mit einer in der Wand eingelassenen Gelegenheit zum Händewaschen – „in Corona-Zeiten nicht nur eine Anspielung auf kirchliche Weihwasserbecken, sondern auch ein Statement in Sachen Hygiene“, erklärt Plasse schmunzelnd.
Weiter geht es in den Schankraum, in deren Herzen die große Runde Theke Gäste mit spontaner Bier-Lust und größere Gruppen anziehen soll. Hier wird unter anderem exklusiv für das Weissbräuhaus in Holzfässern abgefülltes Benediktiner Weissbräu gezapft. Auch hier finden sich mit den typischen Fliesen und wuchtigen Steinsäulen Anklänge an die Klosterbrauerei in Ettal. Nebenan entstehen in der hauseigenen Bäckerei luftige Sauerteigbrote mit Kellerhefen, Brezen und Kuchen.
Bauhaus im Brauhaus
Etwas gediegener geht es in der „Stube“ zu: „Bauhaus im Brauhaus“, kommentiert Plasse die eigens angefertigte Möblierung. „Wir nehmen das Brauhausthema nicht ganz bierernst.“ Noch einmal anders – rustikaler – der Look im „Esszimmer“: Hier erinnern unter anderem historisierende Wandlampen und alte Holzdielen an altertümliche Wirtshäuser. Im urigen Stüberl, dem Rückzugsort für kleinere Gruppen, finden rund zehn Gäste Platz. Die Holzschindelverkleidung an den Wänden verstärkt die intime Stimmung abseits des Trubels in der Schankstube. Mittendrin: der Kräutergarten als grünes Herzstück und sichtbarer Ausdruck der Nachhaltigkeitsphilosophie des Hauses. Ungewohnte Einblicke bietet außerdem das große Bierlager, das als optisches Highlight gekonnt Holzbierfässer in einem großen Schrank aus Stahl und Glas präsentiert.
Benediktiner Weissbräuhaus
Standort: Alte Post, Gießen
Eröffnung: Juni 2021
Fläche: 730 qm
Sitzplätze: 432 (davon 174 außen)
Kulinarisches Angebot: von Frühstück über Brunch und Lunch und Kaffee & hausgemachtem Kuchen bis zum Abendessen.
Neu interpretierte Klassiker der bayrischen und hessischen Küche; vegetarische und vegane Speisen; Backwaren aus der eigenen Backstube.
Preisband Hauptgerichte: 9,40-25,90 €
Betreiber: Tim Plasse (Geschäftsführer), Bitburger Braugruppe
www.benediktiner-weissbraeuhaus.de
„Wir nehmen das Brauhausthema nicht bierernst.“
Speisekarte bietet bewusst ‚Ungewöhnliches‘
Die Speisekarte schlägt wie das Interieur den Bogen von der Tradition zur Moderne. Sie bietet bayrische Schmankerln wie knusprige Scheinshaxen mit Bierjus ebenso wie hessische Ahle Wurst und frische Salate, hausgemachte Burger sowie moderne vegetarische und vegane Gerichte, die bevorzugt aus regionalen Zutaten in Bio-Qualität hergestellt werden. „Der Kommentar, dass unser Angebot ‚ungewöhnlich‘ ist, war für uns das schönste Kompliment, erzählt Plasse.
„Gewöhnlich können viele, ‚anders‘ muss man sich trauen. Wir wollen uns bewusst von anderen Brauhauskonzepten abheben, neben der Farbe „braun“ auch die Farbe „grün“ auf die Karte bringen.“
Zum Lunch setzt das Konzept auf Selbstbedienung: „Mittags haben die Menschen einfach andere Bedürfnisse“, betont Plasse. Bestellt und bezahlt wird am Counter, serviert am Platz, wodurch viel Wartezeit entfällt. Sollte es tagsüber dennoch Nachfrage nach Fullservice geben, will er diesen natürlich anbieten.
Kombi-Dämpfer für mehr Prozesssicherheit
In der offenen Küche finden sich ausschließlich Kombi-Dämpfer, in denen selbst vorproduzierte Convenience-Komponenten unkompliziert gegart und regeneriert werden. „Damit machen wir das Finishing planbarer und prozesssicher, nehmen so eine Menge Druck von unseren Köchen und vermeiden Qualitätsschwankungen“, erläutert Plasse. 300 bis 400 Essen am Abend, geschickt von zwei bis drei Mitarbeitern, seien so gar kein Problem. Die Rezept- und Produktentwicklung sind dadurch zwar aufwändiger, so Plasse, „aber wenn wir die Multiplikation des Konzepts im Auge haben, sind sie ein wichtiger Baustein des Systems.“ Auch auf die Nachhaltigkeit zahlt die Technik ein: „Wir haben weniger Food Waste und keinen Thermik-Verlust wie am Herd“, berichtet der Geschäftsführer. Ebenfalls ein Nachhaltigkeitsplus: Die Reinigung der Räumlichkeiten erfolgt chemiefrei mit Dampf.
Flexibilität auch auf der Terrasse und im Biergarten vor dem Eingang: Hier ermöglicht eine in kurzer Zeit einsatzbereite mobile Theke die kurzfristige Öffnung bei Sonnenschein. „Wie innen wollen wir auch außen Rustikalität mit moderner Wohlfühlatmosphäre verbinden“, erklärt Plasse. Sein Team und er sind froh, jetzt endlich loslegen zu können. „Unsere Aufgabe lautet, den Beweis anzutreten, dass das Konzept funktioniert, um das Benediktiner Weissbräuhaus anschließend in die Multiplikation zu schicken.“
Gastronom Tim Plasse ist Konzepterfinder, Ideengeber und Geschäftsführer des Benediktiner Weissbräuhauses. Seit der ausgebildete Zimmermann 1999 in Frankfurt den legendären Kingkamehameha Club miteröffnete, hat ihn die Gastro nicht mehr losgelassen. Erfolgreiche Konzepte wie VAIVAI, Sullivan, das Café Hauptwache und Beyond am Frankfurter Flughafen folgten. Seine vielfältigen Erfahrungen gibt Plasse im Consulting-Büro F&B Heroes weiter.
Einen wichtigen Beitrag zum ‚Proof of Concept‘ soll der Einsatz digitaler Technik leisten. „Um die Komplexität einer Gastronomie dieser Größenordnung zu steuern, gibt es heute viele technische Hilfsmittel. Bei der Entwicklung eines Konzepts, das systemfähig sein soll, muss man diese von Beginn an mitdenken“, kommentiert Plasse. Im Vorfeld der Eröffnung wurde deshalb ein auf die Bedürfnisse und Gegebenheiten im Benediktiner Bräuhaus abgestimmtes Dashbord erstellt, das alle relevanten Daten auf einen Blick bündelt. „Damit helfen wir zukünftigen Partnern dabei, in ihrem Betrieb tagesaktuell die richtigen Entscheidungen zu treffen.“
Konzept muss sich rechnen
Rainer Noll versichert, dass die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen für potenzielle Franchise-Nehmer in anderen Städten identisch sein werden mit denen in Gießen – vom Bier-Liefervertrag bis hin zu den Verhandlungen mit den Vermietern. „Deshalb war es von Anfang an unser Anspruch, dass sich alles, was wir hier tun rechnen muss. Nur dann können wir weitere Partner von dem Konzept begeistern.“
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.