Kaufhäuser gelten in Zeiten des boomenden Online-Handels zunehmend als Auslaufmodell, ihre Restaurants trotz aller Bemühungen um Frischekonzepte als wenig zukunftsfähig. Dass es auch anders geht, beweist das Traditionskaufhaus Loeb in Bern. Hier führt seit 2007 ein Gastronomenpaar aus Bayern die kulinarische Regie – und zwar so erfolgreich, dass der ehrwürdige Konsumtempel inzwischen zu den Trend-Food-Hotspots der Schweizer Hauptstadt gehört. Denn Petra und Christian Gierstorfer setzen nicht nur auf Feel Good Food für Geist und Seele: Sie nutzen auch die Möglichkeiten der Digitalisierung, um den Kunden auf allen Etagen analoge Verwöhnmomente zu bieten und damit die Verweildauer im Haus zu verlängern.
Trend-Food für ein jüngeres Publikum
Die Idee hinter der Partnerschaft zwischen Loeb und der Energy Kitchen war von Anfang an, das Publikum des Traditionskaufhauses zu verjüngen, mit hoher Aufenthaltsqualität die Verweildauer zu erhöhen und zusätzliche Besuchsanlässe zu schaffen. Zuvor hatten Christian und Petra Gierstofer bereits in den britischen Nobelkaufhäusern Selfridges und Harrods bewiesen, dass ihr Feel Good Food-Konzept aus kreativ belegten bayrischen Brezeln, frischen Säften und Smoothies, Suppen und Sandwiches den Nerv der shoppenden Großstadtklientel trifft. Im beschaulicheren Bern erweiterten sie ihr Angebot mit vor Ort zubereiteten Hauptgerichten aus nachhaltigen Zutaten, die samt Beilagen vorportioniert in Porzellanschüsselchen zur Selbstbedienung präsentiert werden: unkompliziert im Handling, präzise kalkulierbar, mit wenig Food Waste.
Shopping-Auszeit für Männer
Im Zuge des vor zwei Jahren gestarteten kompletten Umbaus wünschten sich die Verantwortlichen des Loeb neben dem Energy Kitchen-Restaurant im 4. Stock mit rund 90 Plätzen, der Kaffeebar im Erdgeschoss sowie einer Pop-up-Fläche auch gastronomische Angebote auf den übrigen vier Etagen. Gemeinsam entwickelte man das Konzept der Verweilzonen innerhalb des Retail-Bereichs. Nun laden unter anderem ein Näh-Café, eine Beauty Lounge und die Gentlemen’s Corner die Kunden zum Entspannen bei Getränken und Speisen ein.
Das Grund-Setup aus stylischen Möbeln, einer Kaffeemaschine, einer Spülmaschine und einer Kasse ist in jeder Verweilzone identisch, das Thema auf den jeweiligen Warenbereich abgestimmt. So richtet sich die Gentlemen’s Lounge in der 1. Etage vornehmlich an Männer, die eine Shopping-Auszeit brauchen und diese mit Kickern, Sportfernsehen, der Tageszeitung oder einer Runde Pac Man spielen verbringen möchten. Für das leibliche Wohl sorgt das Energy Kitchen-Team mit Cold Brew-Kaffee und Wasser in Selbstbedienung sowie einem Online-Order-Service für Signature-Gerichte wie Bowls und Sandwiches. Für geschlossene Events steht außerdem eine Bierzapfanlage zur Verfügung. Im Verantwortungsbereich des Gastro-Teams liegen die Inbetriebnahme der Geräte am Morgen sowie die Reinigung am Abend und die Überwachung der HACCP-Vorgaben.
Mehrwert für die Kaufhauskunden
Bestellt wird über ein digitales Terminal, die Order landet direkt an der Theke des Restaurants im 4. Stock. Von dort bringt es ein Mitarbeiter – ähnlich wie beim Room Service – zum Kunden. Dieser bezahlt vor Ort wie gewohnt mit Bargeld, Karte oder Loeb-Jetons, die von den Verkäufern ausgegeben werden. „Für uns bedeutet dies ein schönes Zusatzgeschäft ohne großen Aufwand“, erklärt Petra Gierstorfer. „Das Loeb freut sich über den Mehrwert für die Kunden.“ Natürlich sind auch Marketingeffekte für das Energy Kitchen-Restaurant und die Kaffeebar einkalkuliert. „Als exklusiver Gastronomiepartner erhalten wir dabei mehr Sichtbarkeit auf der gesamten Kaufhausfläche und lasten unsere Kapazitäten ohne großen Aufwand besser aus.“ Kostengünstig ist das Angebot vor allem, weil keine zusätzlichen Mitarbeiter gebraucht werden. In vielen Fällen fungieren sogar die Verkäufer als Gastgeber in der Lounge. „Es ist Teil des Konzepts, dass sie ihre Kunden auf einen Kaffee einladen und auf der Fläche für Ordnung sorgen. „
Auf den Standort zugeschnitten
Auch in der Beauty Lounge im 2. Stock weisen die Loeb-Mitarbeiter aktiv auf das gastronomische Angebot hin, das mit Superfood-Offerten und Detox-Smoothies passend auf den Standort zugeschnitten wurde. „Das Thema Beauty passt bestens zu uns“, unterstreicht Petra Gierstorfer, „denn mit unserem gesunden Feel Good Food möchten wir dazu beitragen, dass sich unsere Gäste gut und glücklich fühlen.“ So werden in der Beauty Lounge auch die regelmäßig in der Energy Kitchen-Showküche angebotenen Kochevents rund um Wellness-Food sowie Saft- und Smoothie-Workshops bekannt gemacht und beworben. Parallel können Spa-Anwendungen im Paket mit einem Superfood-Lunch gebucht werden.
Vorteile für beide Seiten
Die Besucherinnen des Näh-Cafés können sich ebenfalls ihre Arbeit an den zur Verfügung gestellten Nähmaschinen mit Kaffee aus dem SB-Automat und Kuchen aus der Energy Kitchen angenehmer gestalten. „Ein großer Umsatzbringer ist der Verkauf von F&B in den Verweilbereichen noch nicht. Aber die clevere, etagenspezifische ‚Durchzonung‘ des Kaufhauses mit Bestellmöglichkeiten für gastronomische Angebote bringt für beide Seiten Vorteile“, resümiert Petra Gierstorfer. Es gehe außerdem darum, den Bernern mehr Gründe zu geben, ins Kaufhaus zu kommen statt online zu shoppen.
Auch im Außenbereich des Kaufhauses können die Kunden digital bei der Energy Kitchen bestellen und sogar mit Bitcoins bezahlen.
Fotos: Energy Kitchen/Thomas Fedra
Barbara Schindler entdeckte schon früh ihre Lust am Schreiben. Mit 16 stand für sie fest: Ich will das Geschichtenerzählen zum Beruf machen, werde Journalistin. Mit einem Studium der Musikwissenschaft, Anglistik und Romanistik orientierte sie sich in Richtung Feuilleton, landete dann aber nach einigen Umwegen beim Fachjournalismus mit Schwerpunkt Gastronomie. Seither berichtet sie – zunächst als festangestellte Redakteurin bei der Fachzeitschrift Food-Service, seit Sommer 2018 freiberuflich – über alle Aspekte der Branche. Barbara Schindler ist verheiratet und lebt in Frankfurt am Main.